Über 300 Menschen diskutierten in Bregenz über den ORF und seinen Kulturauftrag.

Foto: Mark Mosman

Bregenz – Mit der Verschiebung der Kultursendung "Kultur nach 6" auf 20 Uhr löste der Vorarlberger ORF-Landesdirektor Markus Klement einen Sturm der Entrüstung aus. Die Kulturschaffenden des Landes, zusammengeschlossen in der IG- und Netzwerkgruppe Vorarlberg, fordern in einer Onlinepetition den alten Sendeplatz zurück.

1.759 Menschen haben bereits unterzeichnet. Ihr Argument: Mit der Verschiebung auf 20 Uhr nehme man der Sendung ihr Publikum, der ORF setze damit einen weiteren Schritt zum Kulturabbau im Landesstudio. Die Befürchtung: Der neue Sendetermin ist der erste Schritt zu deren Abschaffung und zu weiterem Personalabbau.

Öffentliche Diskussion über ORF

Am Montagabend verliehen die Initiativen mit einer Podiumsdiskussion im Vorarlberg-Museum ihren Forderungen Nachdruck. Über 300 Menschen setzten mit ihrer Anwesenheit ein deutliches Zeichen der Unzufriedenheit.

Für die Kulturschaffenden sprachen Regisseurin Barbara Herold (Sprecherin IG Freie Theater), Museumsdirektor Hanno Loewy (Jüdisches Museum Hohenems) und Schriftsteller Wolfgang Mörth (Obmann von Literatur Vorarlberg). Die Argumente hörte sich Kulturlandesrat Christian Bernhard (VP) an und Gerd Endrich, zentraler Chefredakteur des ORF Vorarlberg, versuchte die Position des ORF zu erklären. Landesdirektor Klement hatte eine Teilnahme aus Termingründen abgelehnt.

Endrich begründete die Verschiebung mit geänderten Lebensgewohnheiten: Man arbeite länger, die Freizeit beginne später. Das Gegenargument von Wolfgang Mörth: "Ab 20 Uhr ist die Hörerschaft nur noch in homöopathischen Dosen messbar." Bekräftigt wurde der Einwand durch zahlreiche Publikumsmeldungen.

Sprechverbot für Redakteurinnen und Redakteure

Walter Fink, langjähriger Leiter der Kulturabteilung und als Pensionist nicht von dem Sprechverbot betroffen, das Redakteurinnen und Redakteuren auferlegt worden war, verwies auf internationale Erhebungen: "Die sprechen alle die gleiche Sprache: Kurz vor 18 Uhr steigen die Hörerzahlen, ab 20 Uhr kommt man in den marginalen Bereich."

Hanno Loewy appellierte an den ORF, die Anliegen der Kulturschaffenden ernst zu nehmen: "Der ORF sollte für die Kultur brennen." Endrich nannte fehlende Mittel und den Sparkurs als Hindernisse. Loewy: "Wenn die Politik meint, dass der ORF einen Kultur- und Bildungsauftrag hat, soll sie sich auch Gedanken machen, wie der zu erfüllen ist."

Kulturauftrag und Kulturpolitik

Verantwortlich für die Kulturpolitik des Landes ist mit Landesrat Christian Bernhard ein Arzt und früherer Landesbeamter. Er hatte sich bei der Ämterverteilung 2014 nicht um das Kulturressort gerissen. Bekam es aber, weil es die grüne Koalitionspartei gern gehabt hätte.

Bernhard, erstmals in seiner Amtszeit mit Widerstand konfrontiert, verhehlte seine Unerfahrenheit in Kulturangelegenheiten nicht und staunte über die Heftigkeit der Diskussion. Er werde die Argumente genau überdenken und prüfen, sehe in der Kulturberichterstattung aber kein Defizit. Als Gesundheitslandesrat wünschte er sich ähnlich starkes journalistisches Interesse für Gesundheitsthemen. In das operative Geschäft des ORF, "ein unabhängiges Medium", werde er sich aber nicht einmischen.

Zum Thema Finanzen blieb Bernhard vage. Warum Vorarlberg nicht wie andere Bundesländer eine Landesabgabe, den sogenannten Kulturschilling, einhebe, wollte jemand wissen. Damit habe er sich noch nie beschäftigt, sagte Bernhard.

Dialog oder Monolog

Die Schlussfrage aus dem Publikum, wer denn nun den nächsten Schritt setze, beantwortet Wolfgang Mörth: "Wir bieten uns an, am zukünftigen ORF mitzuarbeiten." Endrich versprach, Klement das Dialogangebot zu übermitteln. Das Publikum gab ihm einen klaren Auftrag mit: Kultur soll wieder nach sechs gesendet werden.

Was sagt Landesdirektor Markus Klement dazu? Wenig. Er war am Dienstag zu keinem Interview mit dem STANDARD bereit, schickte aber eine Mail: "ORF-Landesdirektor Markus Klement verweist auf das seit Jahren umfangreiche Kulturangebot des ORF Vorarlberg mit jährlich rund 70 Kulturveranstaltungen, circa 40 Konzertaufnahmen sowie dem österreichweit einzigartigen einstündigen Radio-Kulturmagazin von Montag bis Freitag, das lediglich um zwei Stunden verschoben wurde, in dem jedoch keinerlei inhaltliche Kürzungen vorgenommen wurden und werden." (Jutta Berger, 28.11.2017)