Bild nicht mehr verfügbar.

Volksabstimmungen bergen Risiken – auch finanziell.

Foto: Getty Images/Anton_Sokolov

ÖVP-Verhandler Blümel berichtet in der Sache von "Dissens" zwischen Türkis und Blau.

Foto: Christian Fischer

Politologe Sickinger verweist auf Zusatzkosten für Volksbegehren vor einem Referendum.

Foto: APA / Herbert Neubauer

Verfassungsrechtler Öhlinger warnt vor leichtfertigem Einleiten von mitunter folgenschweren Volksabstimmungen.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Der Ausbau der direkten Demokratie könnte die Republik noch teuer zu stehen kommen: Wie berichtet herrscht hier zwischen Türkis und Blau noch "Dissens", wie Koalitionsverhandler Gernot Blümel (ÖVP) am Donnerstag zugab. Nachsatz: "Einen gänzlichen Systemwechsel herbeizuführen, das kann nicht von heute auf morgen gehen."

Woran es sich konkret spießt: Die FPÖ möchte, dass künftig Volksbegehren, die von mehr als vier Prozent der Bürger Unterstützung erlangen, eine Volksabstimmung nach sich ziehen. Die ÖVP dagegen will erst ab einer Zustimmung von zehn Prozent ein solches Referendum abhalten, das – nach einem noch auszuverhandelnden Beteiligungsquorum – bindend wäre.

Eine derartige Änderung der Verfassung gilt nicht nur unter Juristen aus demokratiepolitischen Gründen als höchst umstritten, zuletzt erklärten auch SPÖ und Neos, ein entsprechendes Gesetz, das eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat benötigt, sicher nicht einfach durchzuwinken.

Wichtige Erfahrungswerte

Hubert Sickinger, Experte für Parteienfinanzierung, gibt im STANDARD-Gespräch auch zu bedenken, dass die Kosten für die Eintragungswoche eines Volksbegehrens sowie die Kosten für das Abhalten einer Volksabstimmung "sicher nicht billiger sind als jene zur Durchführung einer Nationalratswahl". Dazu verweist der Politologe auf eine von zwei Volksabstimmungen, die es bisher in Österreichs gab – nämlich jene über den EU-Beitritt 1994, vor der die damalige rot-schwarze Regierung auch noch in eine millionenschwere Pro-PR-Kampagne investierte.

Die Zahlen aus der Vergangenheit geben Sickinger recht: Erfahrungsgemäß kostet die Republik eine Nationalratswahl zwischen zehn und fünfzehn Millionen Euro, darunter fällt etwa der Aufwand für das Drucken der Stimmzettel oder die Briefwahl, dazu kommt noch der Kostenersatz für die Gemeinden. Für die bisher einzig bundesweit durchgeführte Volksbefragung zur Wehrpflicht fielen 2013 ähnlich hohe Beträge an – und mit solchen Summen müsste man auch bei künftigen Volksabstimmungen rechnen. Ein Volksbegehren wiederum schlägt in der Regel mit etwa zwei Millionen zu Buche.

Nach dem von ÖVP und FPÖ anvisierten neuen Modus würden auf Österreich damit pro Referendum (also mit vorangegangenem erfolgreichem Volksbegehren) mindestens zwölf Millionen und bis zu siebzehn Millionen an Kosten zukommen – diverse Kampagnen von Parteien, die der Steuerzahler freilich mitfinanziert, noch gar nicht eingerechnet.

Brexit als böses Beispiel

Verfassungsrechtler Theo Öhlinger, der sich gegen ein derart leichtfertiges Einleiten von mitunter folgenschweren Volksabstimmungen ausspricht, meint: "Nach dem Brexit-Referendum so etwas auch für Österreich anzudenken, halte ich für höchst problematisch und bedenklich." Denn das Votum in Großbritannien für einen EU-Austritt im Vorjahr habe in Nachwahlanalysen gezeigt, dass sich die Bürger vor ihrer Stimmabgabe mitunter nicht ausreichend mit dem "Für und Wider" der hochkomplexen Angelegenheit auseinandergesetzt haben – und dass Politiker mitunter zu einfachen Fragestellungen neigen, "weil diese populär sind".

In der vielgepriesenen Schweiz wiederum, erklärt Öhlinger, sei die Regierung verpflichtet, vor Abstimmungen jedem Haushalt eine neutral verfasste Informationsbroschüre zuzustellen – und das sei für ihn "von der österreichischen Regierung schwer vorstellbar".

Und offenbar nicht nur für ihn: Denn dem Vernehmen nach soll auch Altkanzler Wolfgang Schüssel, der ÖVP-Obmann Sebastian Kurz beratend zur Seite stehen soll, gar nicht amused darüber sein, dass der wohl Demnächst-Kanzler den Freiheitlichen in dieser heiklen Angelegenheit womöglich Zugeständnisse macht. (Nina Weißensteiner, 30.11.2017)