Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) und Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bringen die Stadt auf Oppositionskurs.

Foto: Matthias Cremer

Man werde von der politischen Linie in Fragen von Asyl, Integration und Migration nicht abweichen, sagte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) am Dienstag. "Außer man zwingt uns dazu, und das kann nur der Verfassungsgerichtshof."

Es ist eine Kampfansage, die Wien schon im Vorfeld der türkis-blauen Regierungsbildung mehrfach ausgesprochen hat. Es geht um die Gleichbehandlung von Asylberechtigten mit Österreichern bei der Mindestsicherung, um geordnete Migration und darum, den sozialen Wohnbau zu sichern. Und es geht darum, die Rolle Wiens als letzte Bastion gegen den – wie es Häupl nennt – "lupenreinen Sozialabbau" der neuen Bundesregierung zu festigen. Die rot-grüne Stadtregierung zeichnet von sich selbst das Bild als letztes linkes Gegenmodell zu einer "Mitte-rechts-Politik, wobei von der Mitte nichts zu merken ist".

Denn mit der SPÖ nimmt auch Wien die Oppositionsrolle ein – und das sehr offen und beherzt. Wien hebt sich von den Regierungsplänen der Bundespartei so deutlich wie nur möglich ab und spricht Drohungen gegen Einmischungen aus. Wenn sich herausstelle, dass das oberösterreichische Modell der Mindestsicherung "eins zu eins" auf alle Bundesländer umgewälzt werden soll, werde man klagen. Viele Verfassungsjuristen seien der Auffassung, dass dieses Modell eine Ungleichbehandlung österreichischer Staatsbürger und jener Mindestsicherungsbezieher mit positivem Asylbescheid darstelle. "Das ist eine Verletzung unseres Gleichheitsgrundsatzes", so Häupl. Und das geht nicht. "Zur Stunde" würden die Pläne der Regierung geprüft und damit allfällige Klagen. Dem schließt sich auch Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) an. Sie werde die "EU-rechtswidrigen Kürzungen" in Wien nicht zulassen.

Stilisierter Klassenkampf

Es sind die Worte, die Häupl und Vassilakou wählen, die Anspielungen auf die beiden Enden der Einkommensskala, die sie einander gegenüberstellen, die hierbei die Musik machen. Dass Wien nicht bei "den Ärmsten der Armen" kürzen will, während jene, die "viel haben, bessergestellt" würden, ist aber eine Ansage, die nicht nur an die Gegner aus den Reihen von ÖVP und FPÖ zu verstehen ist.

In der Kritik an der neuen Regierung und ihrem Programm schwingen die Töne des Klassenkampfs mit. Es wirkt, als startete die Wiener SPÖ ihr Wählerrückholprogramm. Man besinnt sich auf jene Bevölkerungsschichten, die einst die SPÖ zur Großpartei gemacht haben und die sich von den Roten zur FPÖ abgewendet haben. Denn einen Sozialdemokraten wie Häupl störe es besonders, dass nun Sozialabbau vorangetrieben würde: "In Wien machen wir die gegenteilige Politik." Man hole die Menschen aus der Mindestsicherung heraus und führe sie wieder in den Arbeitsmarkt zurück. "Das ist die Art, wie man sie von den Wiener Sozialdemokraten kennt."

Zur Art der Wiener Sozialdemokraten und speziell Häupls gehört aber auch der Wiener Schmäh. Dem Vorschlag des scheidenden nichtamtsführenden Vizebürgermeisters Johann Gudenus (FPÖ), künftig Klubchef im Parlament, Asylquartiere am "Stadtrand" einzurichten, entgegnete Häupl süffisant: "Viel Spaß." Die "Sisi-Villa" im Lainzer Tiergarten stehe zur Verfügung. Bei den rund 13.000 Flüchtlingen, die derzeit in Wien leben, wisse Häupl nämlich sonst nicht, "wo 150 Flüchtlingsquartiere" hinkommen sollen. Die Grünen hingegen sehen keinen Grund für Späße in dem Plan des Noch-Stadt-FPÖlers. Sie seien "nicht nur menschenverachtend, sondern auch inkompetent". Schließlich sei die private Unterbringung günstiger. Und: Das "Zusammenpferchen" von Flüchtlingen gibt's in Wien nicht.

Keine Einkommensprüfung

Widerstand aus Wien ist auch bei den geplanten Einkommensüberprüfungen von Mietern im sozialen Wohnbau zu erwarten. "Gott sei Dank" könne das die Bundesregierung nicht alleine entscheiden, so Häupl: "Sie können uns natürlich vieles erschweren." Dass Mieter in geförderten Wohnungen Mieterhöhungen drohen, sobald sie mehr verdienen, ist nicht der Wiener Weg.

Leistbares Wohnen ist auch Thema für die Grünen. Dass im Koalitionspapier das Wohnen im Eigentum forciert wird, bezeichnet man hier – frei nach Marie Antoinette – als Kuchen statt Brot. Als Gegenmodell greift man auf die Tradition des Roten Wien zurück: Gemeindebauten und Genossenschaftswohnungen sollen weiter forciert werden. Die Möglichkeit eines Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln, wie er etwa in Ottakring zu tragen kommen könnte, sieht man als "Anheizen" des Wohnungsmarktes an, was zu "wesentlich teureren Wohnungen" führen würde. (Oona Kroisleitner, 19.12.2017)