Brigitte Fürle zeigt "immer außergewöhnliche Projekte".

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"Xenos", Akram Khans letztes Solo.

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STANDARD: Woraus ist der rote Faden der aktuellen Festspielhaus-Saison gezwirbelt?

Fürle: Es geht darum, über Europa hinaus einen Dialog mit der Welt zu suchen. Das ist gerade beim Tanz möglich, weil er nicht auf Worten basiert. Dabei hat mich überrascht, wie stark das bisher Publikum angezogen hat – zum Beispiel mit der bei uns völlig unbekannt gewesenen chinesischen Starchoreografin Yang Liping. Genauso war es bei der neugegründeten Acosta Danza Compañia von Carlos Acosta aus Kuba.

STANDARD: Kann man das heute nicht auch von der Südafrikanerin Dada Masilo sagen?

Fürle: Ja. Masilo ist großartig. Für ihren Swan Lake konnten Impulstanz und das Festspielhaus zusammen 8000 Zuschauer gewinnen. Masilos Tanz versetzt Handlungsballette mit Verve in die Realität ihres Landes – Choreografinnen wie sie sind wichtige Brückenbauer in einer Welt, die sich in der größten politischen Krise befindet, seit wir geboren sind.

STANDARD: Wohin geht es jetzt unter diesen Voraussetzungen?

Fürle: Im Februar gastiert Alonzo King (Biophony und Sand), einer der größten afroamerikanischen Ballettchoreografen, der meines Wissens erst einmal in Österreich war. Und im Mai das taiwanesische Cloud Gate Dance Theatre mit Rice. Mit seiner große Bühne für Tanz zeigt das Festspielhaus auf, dass vergleichbare Strukturen in Österreich und überhaupt im deutschsprachigen Gebiet fehlen. Es gibt bei uns halt nicht so selbstverständliche Räume für Tanz wie in Frankreich mit seinen Tanzhäusern.

STANDARD: Wie ist das Verhältnis zwischen Tanz, Musik und Musiktheater im Festspielhaus?

Fürle: Die Vielspartigkeit ist das Wunderkonzept für dieses Haus, bei dem lange nicht klar war, was es sein soll. Es ist einerseits das niederösterreichische Konzerthaus des Tonkünstlerorchesters, das auch Standorte im Musikverein und in Grafenegg hat. Als Residenzorchester ist es das Rückgrat für rund fünfzig Prozent des Programms. Aber Verbindungen werden dort spannend, wo wir internationalen Tanz – eben auch mit Orchester – zeigen können oder außergewöhnliches Musiktheater wie vergangenen September mit Barrie Kosky (Die schöne Helena, Komische Oper Berlin und Tonkünstler). Da hat das Festspielhaus ein Alleinstellungsmerkmal, denn unsere Opernrepertoirehäuser zeigen keine internationalen Produktionen. Natürlich ist das Festspielhaus kein Opernhaus, aber wenn wir Projekte machen wie 2015 Continu von Sasha Waltz, das bei uns erstmals mit Musik von Edgar Varèse live mit über hundert Musikern zu sehen war, dann ist es eben doppelt spannend für das Musik- und Tanztheater gleichermaßen.

STANDARD: Was trägt diese Struktur?

Fürle: Es müssen immer außergewöhnliche Projekte sein. Es gibt also die Klassik mit dem Tonkünstlerorchester, es gibt die großen Tanzproduktionen, es gibt Jazz, World und Kammermusik. Außerdem habe ich den "neuen Circus" als eigene programmatische Schiene neu positioniert. Das ist eine der aktuell spannendsten neuen Kunstformen, mit denen man generationenübergreifend das Publikum der Zukunft finden kann. Dann gibt es noch die Kulturvermittlungsarbeit um all das herum.

STANDARD: Glauben Sie, dass zu einer großen Kunstinstitution auch Communityarbeit gehört?

Fürle: Ja absolut. Unsere Auffassung von verantwortungsvoller Kulturarbeit umfasst den Begriff von "Kultur für alle". Ich halte dieses Konzept, das sich das Haus noch unter Joachim Schloemer erarbeitet hat, auch innerhalb der spannenden Architektur von Klaus Kada, für ganz wichtig. Seit vielen Jahren gehört das Haus auch unseren zahlreichen Communitys, die hier tanzen, singen und performen. Vom Team wird da mit viel Liebe und Herzblut in diesem Bereich gearbeitet. Jede und jeder kann sich dem Haus, das immer offen ist, zugehörig fühlen.

STANDARD: Wer tanzt noch bis zum Saisonende am Festspielhaus?

Fürle: Am 27. Jänner zum Beispiel das Dance On Ensemble, ein EU-Projekt für Tänzer über 40, mit einer Choreografie von dem Libanesen Rabih Mroué. An Alonzo King hat mich interessiert, dass Biophony auf einer zweijährigen Sound-scape-Forschung mit Tierlauten beruht. Im Mai kommt Akram Khan wieder – mit Xenos, das definitiv sein letztes großes Solo ist. Ein unglaublich guter und wichtiger Cross-Culture-Künstler, der die Diversität unserer Zeit zeigt. Und im Juni schließt Pixel von dem Hip-Hop-Choreografen Mourad Merzouki mit der Compagnie Käfig an unser Circus-Programm an. Eine poetische Produktion, die im Zirkuszelt genauso funktioniert wie auf der Bühne. (Helmut Ploebst, Spezial, 12.1.2018)