Linz – Der oberösterreichische Landesrechnungshof (LRH) hat am Freitag das Ergebnis der Sonderprüfung der unter anderem nach dem Bauskandal von St. Wolfgang in die Kritik geratenen Gemeindeaufsicht vorgelegt. Fazit: "Teilweise fehlt der politische Wille, die politische Aufsicht wahrzunehmen" – sagt Direktor Friedrich Pammer. Teils hätten sich auch nicht zuständige Regierungsmitglieder eingemischt.

Ins Rollen kam der Stein, als der Bürgermeister von St. Wolfgang, Franz Eisl (ÖVP), nach seinem Amtsantritt 2015 Mängel bei knapp 1.000 Bauakten aus den vergangenen 20 Jahren entdeckte. Laut einer ersten Sonderprüfung des LRH fehlten Baubescheide und Fertigstellungsanzeigen, Gebühren und Erhaltungsbeiträge wurden nicht vorgeschrieben, Landeszuschüsse nicht abgerufen.

Entschärfung auf Anweisung "von oben"

Die Brisanz der Causa stieg allerdings noch weiter an: Laut der Anzeige eines ehemaligen Gemeindeprüfers seien Prüfberichte auf Anweisung "von oben" im Nachhinein entschärft worden, vor allem wenn ÖVP-Funktionäre belastet wurden, so der Vorwurf.

In einer weiteren Sonderprüfung nahm der LRH nun also die Gemeindeaufsicht selbst unter die Lupe und hat sich in sieben Gemeinden genau angesehen, wie die Prüfungen durch das Land erfolgt sind: Was wurde zwischen der Erst- und der Endfassung von wem, warum und mit welcher Begründung geändert?

"Eine Schwäche im System"

Und es ging um die Frage, ob politisch Einfluss genommen wurde. In Oberösterreich war bis 2015 ein schwarzer Landesrat für die Finanzierung der ÖVP-geführten und die Prüfung der SPÖ-Gemeinden zuständig und ein roter Landesrat für die Finanzierung der SPÖ- und die Prüfung der ÖVP-Gemeinden. Erst seit zwei Jahren liegt die Aufsicht zur Gänze in den Händen eines freiheitlichen Regierungsmitglieds.

Pammer sieht in den Zuständen, die jahrelang geherrscht haben, einerseits "eine Schwäche im System", andererseits aber auch den "Ausdruck eines gelebten Umgangs". So habe man bei St. Wolfgang, (einer ÖVP-Gemeinde, Anm.) bereits seit Jahren gewusst, dass hier Dinge nicht in Ordnung sind. SPÖ-Landerat Ackerl habe daraufhin einen Zahlungsstopp verfügt, ausbezahlt wurde von der Direktion für Inneres und Kommunales dann aber doch.

Weisungen im Widerspruch zur Verfassung

Teilweise haben sich laut dem Bericht auch nicht zuständige Landesregierungsmitglieder eingemischt, etwa der frühere Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) oder Hiegelsberger. Vor allem negativ ins Auge gestochen ist dem LRH die – ebenfalls ÖVP-regierte – Stadt Freistadt: Dort sei der Bericht nach der Schlussbesprechung mit dem Bürgermeister verändert worden. Manches sei nachvollziehbar, vieles aber nicht, so Pammer. Die Änderungen bzw. Streichungen im Prüfungsbericht des Landes zu Freistadt seien weit gravierender als in allen anderen Prüfungsberichten gewesen.

Die Prüfer halten zu derartigen Vorfällen fest: "'Weisungen', 'Anordnungen', 'Aufforderungen' oder 'Wünsche' des unzuständigen Landeshauptmannes oder eines unzuständigen Mitglieds der Oberösterreichischen Landesregierung widersprechen den verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Verwaltungsführung auf Bundes- und Landesebene. (...) Der LRH kann daher derartige Vorgänge nie als nachvollziehbar beurteilen."

Fehlender Wille zur Kontrolle

Von einem System mit politischer Methode will Pammer zwar nicht sprechen, aber es habe Einmischungen gegeben und es habe der Wille gefehlt, die Kontrolle wahrzunehmen. Der oberste Prüfer des Landes sieht auch ein Problem im Instrumentarium, das dem Land als Aufsicht zur Verfügung steht. Denn es könne zwar drastische Konsequenzen verhängen wie die Auflösung des Gemeinderats, davon wird dann aber doch immer abgesehen.

Sinnvoller wären laut dem Rechnungshof-Chef, gelindere Mittel wie etwa, dass das Land den Prüfungsausschuss der Gemeinde einberufen und beaufsichtigen kann, oder Verwaltungsstrafen.

Für FPÖ "Konsequenzen unausweichlich"

SPÖ und Grüne forderten als Reaktion Sonderprüfung eine Untersuchungskommission, die SPÖ stellt sogar den Verdacht des Amtsmissbrauchs in den Raum. "Es kann nicht sein, dass sich einzelne Politiker über geltendes Recht hinwegsetzen", hieß es auch von der FPÖ.

"Das kann man so unmöglich stehen lassen. Daher sehe ich im nächsten Kontrollausschuss Mitte März großen Erklärungsbedarf aller Beteiligten", so FPÖ-Klubobmann Herwig Mahr in einer Aussendung. Für ihn seien "Konsequenzen unausweichlich" und er forderte eine umfassende Reform der Gemeindeaufsicht.

"Der Prüfbericht deckt schonungslos auf, welche chaotischen Zustände bis 2015 im Bereich der Aufsicht und Finanzierung von Gemeinden geherrscht haben", so Mahr. Erst als 2015 der freiheitliche Landesrat Elmar Podgorschek die Zuständigkeit für die Gemeindeaufsicht bekommen habe, sei mit den "Aufräumarbeiten" begonnen worden.

SPÖ stellt Verdacht des Amtsmissbrauchs in den Raum

Für SPÖ-Klubchef Christian Makor belegt das LRH-Papier "massive Manipulationen von Berichten – stets zum Vorteil der ÖVP" und "eindeutige Gesetzesverstöße". Es müsse geklärt werden, welche Rolle der schwarze Gemeindelandesrat Max Hiegelsberger hier eingenommen habe, "welchen politischen Druck" auf Beamte und welche Weisungen es gegeben habe.

"Wenn Hiegelsberger seiner Aufklärungspflicht gegenüber der Öffentlichkeit nicht unverzüglich und umfassend nachkommt, dann führt an einer Untersuchungskommission des Oberösterreichischen Landtags kein Weg vorbei", so Makor. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter: Wenn er sich über die Gesetze hinweggesetzt hat, dann muss er sich erklären – sonst steht der Verdacht des Amtsmissbrauchs im Raum", so Makor.

Grüne wollen Untersuchungskommission

Die Grüne Landessprecherin Maria Buchmayr hält die Einsetzung einer Untersuchungskommission für "unumgänglich". Die Frage nach der politischen Verantwortung müsse eindeutig geklärt werden. Sie kündigte an, dass die Grünen, die die nun erfolgte Sonderprüfung initiiert hätten, mit den anderen Landtagsfraktionen umgehend deswegen Kontakt aufnehmen werden.

"Es ist offensichtlich, dass vor allem bei ÖVP-geführten Gemeinden Vertuschung und Streichung in Prüfberichten praktiziert worden ist", so Buchmayr. Nun müsse geklärt werden, "ob politische Korruption grundsätzlich, breit und bewusst als Machtmittel eingesetzt worden ist" und ob dieses Vorgehen "Merkmal und Ausdruck eines schwarzen Systems in Oberösterreich war und vielleicht auch noch ist". (APA, 12.1.2018)