Für Michael Ludwig ist Andreas Schieders Vorstoß (25.000 Gemeindewohnungen bis 2025) nicht realisierbar.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Mit dem Wechsel an der Spitze der Wiener SPÖ dürfte es zu einem schärferen Kurs bei der Mindestsicherung kommen. Nach Bürgermeisterkandidat Andreas Schieder spricht sich auch dessen Kontrahent Michael Ludwig im STANDARD-Interview für eine Wartefrist aus. Wer neu nach Wien zieht, hätte also erst nach einer bestimmten Zeit Anspruch auf die Mindestsicherung.

Entsprechende Überlegungen gab es bereits im Vorjahr, sie wurden aber schließlich von der rot-grünen Landesregierung unter Noch-Bürgermeister Michael Häupl wieder verworfen. Vor allem die Grünen waren gegen das Vorhaben. Dieser Beschluss wurde auch von Ludwig mitgetragen, er spricht sich aber dafür aus, das bestehende System wieder zu evaluieren.

Der Wiener Wohnbaustadtrat würde es sogar für sinnvoll halten, das Prinzip der Wartefristen auch auf andere öffentliche Leistungen im Sozialsystem auszudehnen. Ohne konkret zu werden, sagt er: "Jene die hier geboren oder früher zugewandert sind, sollen einen Vorteil haben. Ich vergleiche das mit einer Supermarktkassa: Man muss sich hinten anstellen." Um eine geförderte Wohnung bekommen zu können, muss man bereits jetzt mindestens zwei Jahre lang den Hauptwohnsitz in der Bundeshauptstadt angemeldet haben.

Üppiges Werbebudget

Laut der Rechercheplattform Dossier stieg das Werbebudget des Wiener Wohnbaustadtrates zwischen 2007 und 2016 deutlich an, von anfänglich drei Millionen auf zuletzt 5,14 Millionen Euro. Die Ausgaben für "Bauaufsichtsorgane" gingen hingegen im selben Budgetbereich stetig zurück. Im Jahr 2015 war das Werbebudget erstmals höher als jenes der Bauaufsicht.


STANDARD: Sie haben schon vor Monaten erklärt, als Nachfolger von Michael Häupl anzutreten. Einen möglichen weiteren Kandidaten bezeichneten Sie damals als "entscheidungsschwach". War Ihr Konkurrent Andreas Schieder entscheidungsschwach?

Ludwig: Nein. Es ist immer wieder in Aussicht gestellt worden, dass ein weiterer Kandidat seine Bewerbung bald kundtun wird. Ich hatte den Eindruck, dass es noch nicht ganz klar ist.

STANDARD: Die Wiener SPÖ konnte sich im Vorfeld nicht auf einen Kandidaten einigen. Wie zerstritten ist die Wiener SPÖ?

Ludwig: Die SPÖ wird sich am 27. Jänner auf einen Parteivorsitzenden einigen. Ich gehe davon aus, dass danach alle hinter dem neu gewählten Vorsitzenden stehen.

STANDARD: Warum hat sich ein Graben in der Partei entwickelt?

Ludwig: Ich sehe unterschiedliche Meinungen, das ist etwas Gutes in einer demokratischen Partei. Die Frage ist, wie man diese ausdiskutiert und zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt. Und wie man diese dann der Bevölkerung vermittelt. Wir machen Politik nicht aus einem Selbstzweck heraus, sondern um der Bevölkerung Lösungsvorschläge zu bieten.

STANDARD: Sie haben eingeführt, dass jene, die schon eine längere Zeit in Wien leben, bei der Vergabe von Gemeindewohnungen bevorzugt werden. Ist dieses Modell in Wien ausweitbar?

Ludwig: Jene die hier geboren oder früher zugewandert sind, sollen einen Vorteil haben. Ich vergleiche das mit einer Supermarktkassa: Man muss sich hinten anstellen. Man kommt dran, aber eben nach einem Ordnungsprinzip. Das gilt bei den geförderten Wohnungen, und das kann ich mir auch in anderen Bereichen vorstellen.

STANDARD: Wo zum Beispiel?

Ludwig: Beim Zugang zu anderen öffentlichen Leistungen wie dem Sozialsystem.

STANDARD: Auch bei der Mindestsicherung?

Ludwig: Ja. Der Landtag hat gerade erst eine neue Regelung beschlossen, zu der ich auch stehe. Es macht aber Sinn zu evaluieren, wie sich unser neues System auswirkt. Als soziale Stadt lassen wir niemanden zurück, das muss man aber auch im Zusammenhang mit den budgetären und wirtschaftlichen Entwicklungen stehen. Den Anstieg bei den asylberechtigten Beziehern wird man sicher im Auge behalten müssen.

STANDARD: Würden Sie als Bürgermeister das Regierungsteam der SPÖ verändern?

Ludwig: Ich bin für eine Mischung aus Erfahrung und neuen Ideen. Ich werde keine Namen nennen. Es wird jedenfalls einen neuen Wohnbaustadtrat geben.

STANDARD: Was machen Sie, wenn Sie die Abstimmung verlieren?

Ludwig: Davon gehe ich nicht aus.

STANDARD: Sie gelten als Kritiker der rot-grünen Stadtregierung, wollen aber bis zur Wahl Pakttreue zeigen. Was wird sich mit Ihnen als Chef in der Koalition verändern?

Ludwig: Es muss ein starker sozialdemokratischer Stempel in der Regierungspolitik erkennbar sein. Es muss stärker spürbar sein, dass wir die mit Abstand stärkste Partei in der Stadt sind.

STANDARD: Welche Vorhaben stehen auf Ihrer Agenda ganz oben?

Ludwig: Den Wirtschaftsstandort Wien stärken, dazu gehört der Ausbau der Infrastruktur. Ich trete stark für Stadtstraße, Nordostumfahrung und dritte Piste am Flughafen Wien ein. Es braucht eine stärkere Betonung der Zusammenarbeit der Ostregion Wien, Niederösterreich und Burgenland.

STANDARD: Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou will nächste Woche Alternativen zum Lobautunnel präsentieren. Könnte Sie etwas umstimmen?

Ludwig: Wenn es eine bessere Lösung für die Donauquerung gibt, ist mir das recht, aber ich habe bis heute keine gehört.

STANDARD: Warum schließen Sie eine Koalition mit der FPÖ nach den Wien-Wahlen 2020 aus?

Ludwig: Weil es derzeit keine Schnittmengen gibt. Das wird sich bis 2020 nicht ändern.

STANDARD: Schieder kritisierte Sie im STANDARD-Interview in Bezug auf die Gemeindebauoffensive. Er hätte sich erwartet, dass "mehr Projekte in der Pipeline" sind. Haben Sie getrödelt?

Ludwig: Das hängt vielleicht damit zusammen, dass er nicht ganz eingebunden ist in das, was wirklich im Wohnbau in Wien passiert.

STANDARD: Schieder will 25.000 neue Gemeindebauwohnungen in nur acht Jahren bis 2025. Ist das realistisch?

Ludwig: Möglich ist alles, wenn Geld keine Rolle spielt und die Infrastruktur bereitgestellt wird. Zwischen Forderung und dem, was umgesetzt werden kann, klafft oft ein Widerspruch. Mit der bestehenden Wohnbauförderung, so wie sich das Schieder vorstellt, geht sich das nicht aus.

STANDARD: Sie haben angekündigt, die Neubauleistung von Wohnungen ab 2017 auf 13.000 pro Jahr zu heben. Wurden im Vorjahr 13.000 Wohnungen in Wien übergeben?

Ludwig: Nein. Ich habe immer davon gesprochen, diese Zahl auf Schiene zu bringen. Das ist auch passiert. Es sind eine Reihe von Vorkehrungen zu treffen, von Widmung, Wettbewerb bis zur Ausschreibung. Es ist ein komplexes, qualitätsvolles System, das ich ungern ändern würde.

STANDARD: Wie schwierig ist es, dieses Ziel zu erreichen?

Ludwig: Schwierig, natürlich. Wir haben tausende Wohnungen in der Pipeline und können sie nicht realisieren, weil die entsprechende Infrastruktur fehlt. Neben Wohnungen brauchen wir Kindergärten, Schulen, Straßen- und Verkehrswege.

STANDARD: Oft sprechen sich Anrainer und Bezirke gegen Projekte aus.

Ludwig: Richtig. Viele Projekte verzögern sich durch die öffentliche Diskussion. Dem muss man sich stellen, aber es kostet Zeit und Geld.

STANDARD: Die Plattform "Dossier" kritisiert, dass die Ausgaben für Bauaufsicht in Ihrem Ressort für Sanierungen seit 2012 um 40 Prozent zurückgegangen sind. Braucht es weniger Kontrolle?

Ludwig: Es sind durch Verlagerungen und Ausgliederungen Kosten eingespart worden.

STANDARD: Gab es weniger Sanierungen?

Ludwig: Die Sanierungsarten haben sich geändert. Wir haben in den 1970er-Jahren 42 Prozent Substandardwohnungen gehabt. Jetzt gibt es zwei Prozent. Früher waren es aufwendige Sockelsanierungen, jetzt haben wir thermisch-energetische Sanierungen, die eine nicht so intensive Betreuung erfordern. Der Bauherr muss den Sanierungsprozess begleiten. Das, was wir unter dem Posten kontrollieren, ist die Vergabe der Fördermittel.

STANDARD: Der Budgetpostenpunkt "Entgelte für laufende Information über geförderten Wohnbau" hat zuletzt sogar die Ausgaben für die Bauaufsicht überholt. 2015 waren es fast sechs Millionen Euro. Warum dieses große Werbebedürfnis?

Ludwig: Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. In dem Zusammenhang verweise ich auf einen gültigen Gemeinderatsbeschluss, dass wir zur Information über den geförderten Wohnbau verpflichtet sind.

STANDARD: Wie viel davon wird für Inserate ausgegeben?

Ludwig: Das kann ich aus dem Stand heraus nicht beantworten, aber die Gesamtausgaben der Stadt sind in der Medientransparenzdatenbank gelistet.

STANDARD: Haben Sie neben dem Presse- und Informationsdienst (PID) der Stadt ein zusätzliches Inseratenbudget in Ihrem Ressort?

Ludwig: Ich habe immer schon das gesamte Medienbudget in die Gesamtstrategie des PID eingegliedert. Dieser erledigt die Abwicklung der magistratischen Mittel für Öffentlichkeitsarbeit samt Inserate.

STANDARD: Werden Inserate über den PID im Auftrag von Ihnen geschaltet?

Ludwig: Ich beauftrage generell keine Schaltungen von Inseraten. (INTERVIEW: Oona Kroisleitner, David Krutzler 20.1.2018)

Zur Person

Michael Ludwig (56) ist seit 2007 Wohnbaustadtrat.