Das Haus der Geschichte in St. Pölten zeigt Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll Seite an Seite mit dem einstigen Bürgerschreck Hermann Nitsch. Auch ihm ließ er ein Museum errichten.

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In der Kunstmeile Krems-Stein wird gerade um 35 Millionen Euro ein futuristischer Neubau für Werke der Landesgalerie und für Privatsammler errichtet.

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Johanna Mikl-Leitner eifert Pröll nach, indem sie das Land auf die Bewerbung St. Pöltens als europäische Kulturhauptstadt 2024 einschwor. Mitbewerber ziehen ob der finanzstarken Konkurrenz schon die Köpfe ein.

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St. Pölten – Bauernromantik, Blasmusik und barocker Prunk? Ja, das ist Niederösterreich. Aber nicht ausschließlich. Denn das kulturelle Image, um das sich das Land seit Erwin Prölls Regentschaft bemüht hat, ist ein anderes: Fortschrittlich will man sein, offen und großzügig, furchtlos gegenüber dem Provokanten oder gar Unverständlichen, das man nach der reinen Lehre des Populismus eigentlich zu scheuen hätte wie der Teufel das Weihwasser.

Unkenrufe am Stammtisch nahm Pröll in seinen 25 Jahren als Landeshauptmann mitunter in Kauf. Er hatte erkannt, dass Kulturpolitik, die auf das Zeitgenössische setzt, nicht nur den überregionalen Ruf des Landes verbessert und den Tourismus ankurbelt; Künstler und kritische Geister zu umarmen diente stets auch dem Machterhalt. Denn nicht wenige dankten Prölls Spendierfreude (das Kulturbudget hatte er von 36 auf bis zu 170 Millionen gesteigert) mit offener Unterstützung in Wahlkämpfen.

Vorgezeichneter Weg

Kreative finden sich auch im Personenkomitee von Prölls Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie hat wenig Grund, vom vorgezeichneten kulturpolitischen Weg abzuweichen. Und kann es vorerst auch nicht. Denn Pröll hat mit seiner letzten Museumsoffensive Großprojekte angestoßen, die über seine Amtszeit hinausgehen: Die Niederösterreichische Landesgalerie (Kunst vom Mittelalter bis in die Gegenwart) übersiedelt von St. Pölten nach Krems, wo gerade um 35 Millionen Euro ein futuristischer Museumsneubau hochgezogen wird, der 2019 eröffnet werden soll.

In St. Pölten schaffte man dadurch Platz für ein Haus der Geschichte. Kaum verkündet, wurde es beeindruckend schnell umgesetzt. Vor fünf Monaten konnten eine Dauerausstellung und eine Sonderschau zur Ersten Republik präsentiert werden, 40.000 Besucher zählte man seither. Das ist nicht schlecht. Aus der Fachwelt waren Jubel und Anerkennung zu hören, vereinzelt aber auch harsche Ablehnung: Der Grazer Museologe Gottfried Fliedl etwa ortete im "Falter" "parteipolitische Penetranz" der ÖVP und kritisierte unter anderem ein Foto in der Dauerausstellung, das Erwin Pröll bei der Machtübergabe an Mikl-Leitner zeigt.

Abgesehen von derlei Eitelkeiten gilt die Erinnerungskultur Niederösterreichs in den letzten Jahren als vorbildlich. Im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum entstanden mehrere NS-Gedenkstätten, die auch gegen ewiggestrige Widerstände durchgeboxt werden. Strategisch existiert ein klar definierter, mehrjähriger Kulturentwicklungsplan. Die Nöku-Holding, die über 30 Kulturbetriebe strukturell zusammenhält, hat einen dauerhaften Fördervertrag mit Inflationsanpassung. Sinnvolle Maßnahmen, die die ÖVP im Bund bislang wenig interessierten.

Das NÖ-Kulturbudget für 2018 liegt bei 135 Millionen Euro, 1,5 Prozent der Gesamtausgaben. Und anders als im schwarz-blau regierten Oberösterreich denkt Mikl-Leitner nicht daran, es zu beschneiden: "Ich bin Garant dafür, dass es zu keinen Kürzungen kommt", sagt sie dem STANDARD. Transparenz, ein Manko unter Pröll, will Mikl-Leitner verbessern, indem Kulturförderungen seit dem Vorjahr erstmals in die Transparenzdatenbank eingetragen werden.

Kulturhauptstadt Sankt Pölten?

Im Wahlkampf versuchte Mikl-Leitner das kulturpolitische Modell Pröll aktiv weiterzudenken. Gelegen kam ihr das laufende Bewerbungsverfahren um die Europäische Kulturhauptstadt 2024. Während andere (Salzburg, Bad Ischl und andere) noch überlegen, stellte sich Niederösterreich früh an die Seite seiner Landeshauptstadt St. Pölten. Eine eigene GmbH wurde gegründet und 2,4 Millionen Euro allein für die Bewerbung bereitgestellt. Für wettbewerbsverzerrend hält das so mancher Mitbewerber. Denn bis Ende 2018 sollten lediglich Vorabklärungen getroffen und keine politisch beschlossenen Großinvestitionen getätigt werden.

Für Mikl-Leitner ist die Vorgangsweise berechtigt, sie zeuge von "Professionalität" und davon, "wie ernst an dieses Thema herangegangen wird". Wo ein Wille, da ein Weg. Auch das ist Niederösterreich. (Stefan Weiss, 25.1.2018)