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Wien – Was ist nur mit den deutschen Autokonzernen los? Sie stolpern von einem Skandal in den nächsten. Dieselgate, Kartellvorwürfe, Versuche an Affen und Menschen prägen das Bild der einstigen Vorzeigeindustrie. Der Imageschaden ist gewaltig. Was noch schwerer wiegt: die Gefahr, dass sich die riesige Branche mit Millionen Arbeitsplätzen in die Sackgasse manövriert.

Die Verstrickungen zwischen Konzernen und Politik stellen sich zusehends als schwere Belastung für die Deutschland AG dar, denn: Berlin hat mit seiner Rolle als Schutzpatron der Autoindustrie einen Bärendienst erwiesen. Das beginnt schon bei der kaum sichtbaren Umstellung der Verbrennungsmotoren auf umweltfreundlichere Antriebe. Bereits Altkanzler Gerhard Schröder hatte in seiner Amtszeit strengere Euro-5-Abgasnormen hintertrieben. Angela Merkel setzte den Kurs nahtlos fort und verwässerte 2008 die EU-Auflagen für den Flottenverbrauch. Die verbrauchsstarken deutschen Motoren kamen somit leichter über die Runden.

Bisher Lippenbekenntnisse

Doch die Hilfen erweisen sich zusehends als Schuss ins Knie. BMW, Daimler oder Volkswagen kündigten zwar schon vor vielen Jahren Großinvestitionen in die Elektromobilität an, doch es blieb bis vor kurzem bei Lippenbekenntnissen und Prestigeprojekten. Warum sollten sie auch viel Geld investieren, wenn die billigere Dieselstrategie dank politischer Rückendeckung völlig ausreichend erschien? Technischer Vorsprung, der traditionell mit deutscher Ingenieurskunst verbunden wird, wurde so beim E-Auto entweder nicht erreicht oder verspielt, beispielsweise bei der Batterientechnologie.

Ob Abgasschummeleien oder umstrittene Tierversuche: Auch sie sind indirekte Folgen der Verflechtungen mit der Politik, weil die verfehlte Dieselstrategie nicht zu halten war. Die Tests mit Probanden dienten ja nicht der Forschung, sondern dem Marketing. Die Autobauer wollten die Umweltfreundlichkeit ihrer Motoren untermauern. Sanktionen hatten die Konzerne in Deutschland kaum zu befürchten. Bei den Tricksereien mit der Abschaltvorrichtung kam VW trotz Käufertäuschung mit Software-Updates davon. Umtausch oder Rückabwicklung müssen Konsumenten mühsam vor Gericht erstreiten.

Versuche waren bekannt

Auch Versuche an Menschen und Tieren sind Folgen der verschlafenen Trends. Kanzlerin Angela Merkel verurteilte die Vorgänge zwar scharf, doch das dürfte mehr der medialen Empörung geschuldet gewesen sein. Die Politik war über die Tests jedenfalls im Bilde. Im Diesel-Untersuchungsausschuss berichteten gleich zwei Experten von den Versuchen. Damalige Reaktion der Abgeordneten, die jetzt ihre Betroffenheit bekunden: null.

Redselig war im Ausschuss u. a. der Toxikologe Helmut Greim, ein als industrienah geltender Experte für gesundheitliche Abgasfolgen. Er war auch Vorsitzender des Forschungsbeirats bei den Tests mit Affen. Finanziert wurden sie von VW, BMW und Daimler.

Dass Greim 15 Jahre lang eine Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die sich mit gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen beschäftigte, leitete, spricht Bände. Politik, Konzerne und Wissenschaft: Sie gehen in Deutschland Hand in Hand. Ein perfekter Nährboden für Skandale – und deren Vertuschung. (Andreas Schnauder, 30.1.2018)