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Eine gute Lage ist einer der wichtigsten Faktoren in der Frag, ob die Geschäfte gut laufen. Die Wiener Mariahilfer Straße gilt als solche.

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Wien – Jammern ist der Gruß der Kaufleute. Man hörte ihn im vergangenen Jahrzehnt recht häufig. Im vergangenen Jahr gab es dazu keinen Anlass. Im Gegenteil. "Erstmals gibt es wieder Grund zur Freude", sagte KMU-Forscher Ernst Gittenberger anlässlich der Präsentation der Jahresbilanz am Donnerstag. Der Einzelhandel überschritt im vergangenen Jahr die Umsatzgrenze von 70 Milliarden Euro und erzielte ein nominelles Umsatzplus von zwei Prozent (real 0,3 Prozent), das höchste seit dem Jahr 2010. 1,4 Milliarden mehr erwirtschaftete die Branche.

Das schlug sich auch in der Beschäftigtenzahl nieder. In der mit 332.100 Mitarbeitern ohnehin beschäftigungsintensiven Branche wurden rund 2.900 neue Jobs geschaffen, 500 davon geringfügig und 1.200 Teilzeit. Das Verhältnis von Vollzeit zu Teilzeit liegt insgesamt bei etwa bei 50:50.

Treiber war vor allem der Lebensmitteleinzelhandel mit einem Zuwachs von über vier Prozent. Er ist alleine für ein Drittel der Umsätze verantwortlich. Erstmals seit dem Jahr 2010 gab es aber auch in modischen Segmenten wie Bekleidung und Schuhe mit einem nominellen Plus eine für die Branche erfreuliche Entwicklung.

Nicht alle profitieren

Der Wermutstropfen: nicht alle profitieren. 42 Prozent von rund 4.500 befragten Einzelhandelsunternehmen klagten im Vorjahr über Umsatzrückgänge. 40 Prozent verzeichneten ein Wachstum, beim Rest stagnierten die Erlöse.

Branchen, die nicht von der Ausgabefreudigkeit der Konsumenten profitieren, sind etwa Uhren und Schmuck, Buchhandel und Spielwaren und vor allem der Elektrohandel. Wer auf der Gewinner- oder Verliererseite lande, hänge von verschiedenen Faktoren ab: "Groß oder klein spielt keine große Rolle", sagt Peter Buchmüller. Dass kleine Händler untergehen, glaubt der Bundesspartenobmann Handel in der Wirtschaftskammer nicht, auch wenn die Zahl der Geschäfte insgesamt tendenziell leicht abnehme. Im Gegenteil: "Sie sind oft wendiger als große."

Gebühren für Beratung nur im Ausnahmefall

Buchmüller ortet im "hochkompetitiven und konzentrierten Einzelhandel" eine Mischung aus Standortfaktoren und Branchenzugehörigkeit, die über Wohl und Wehe entscheide. "Gute Lagen werden immer gewinnen." Nicht unbedeutend ist auch, wie groß die Konkurrenz im Onlinehandel ist. Punkto Wachstumsraten hat der Internethandel mit einem Zuwachs von sechs Prozent den stationären Handel abgehängt. 3,6 Milliarden Euro wurden im Vorjahr im Inland erwirtschaftet, eine etwa gleich hohe Summe fließt nach Schätzung der Wirtschaftskammer in außerösterreichische Onlineshops.

Dass Gebühren für Beratung bei jenen Abhilfe schaffen könnten, die über Beratungsdiebstahl klagen, glaubt Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte Handel in der WKO, nicht. "Bezahlen für Beratung wird sich nicht durchsetzen." Das wäre allenfalls etwas für echte Spezialisten. Die Diskussion wurde Ende vergangenen Jahres erneut geführt, weil sich der Wiener Bogensportfachhändler Helmuth Traxler entschieden hatte, 35 Euro Gebühr für "ausführliche Beratung" und "Testen eines Bogens" einzuheben, die refundiert werde, wenn der Kunde dann auch kaufe. (rebu, 1.2.2018)