Eine CIA-Operation unter dem Codebegriff "Acoustic Kitty" ist vor mehr als 50 Jahren in die Geheimdienst-Annalen eingegangen.

Illustration: Armin Karner

Umsetzen ließ sich das Projekt allerdings nicht wirklich.

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In jedem Menschen steckt ein guter Kern. Das mag schwer zu glauben sein, wenn es sich bei dem betreffenden Menschen um einen Nazi oder Kommunisten, einen Islamisten oder einen Mafiaboss handelt. Aber der Glaube an das Gute auch im Gegner erleichtert die geheimdienstliche Tätigkeit sehr. Der Bolschewist zum Beispiel. Ist der nicht am Ende vielleicht sehr tierfreundlich? Diese Überlegung stand am Beginn einer CIA-Operation, die vor mehr als 50 Jahren unter dem Codebegriff "Acoustic Kitty" in die Geheimdienst- Annalen eingegangen ist.

Die Idee dahinter: Eine Katze gelangt eher in das Innere einer sowjetischen Botschaft als ein menschlicher Geheimagent. Man müsse die Katze nur entsprechend präparieren, dann hätte man einen schnurrenden Spion. Nun haben Katzen bekanntlich ein gutes Gehör – um die Katzenohren aber in den Dienst der Amerikaner zu stellen, hat man einem Kätzchen ein Mikrofon ins Ohr implantiert und einen kleinen Sender unter das Fell.

Interna an die CIA

Kitty dürfte ein süßes Kätzchen gewesen sein. Wenn das Tier also auf der Wisconsin Avenue in Washington D.C. vor der Botschaft der UdSSR ausgesetzt würde, dann wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie von weichherzigen Botschaftsangehörigen hineingeholt würde und fortan Interna an die CIA senden würde.

Das Problem dabei ist: Katzen sind praktisch nicht zu dressieren, das Projekt scheiterte. Lange galt, dass die erste entsprechend präparierte Katze statt in der Botschaft unter einem Taxi gelandet wäre. Dieser Story wurde 2013 von Robert Wallace, der in den 1960er-Jahren die technischen Services der CIA geleitet hat, widersprochen – Acoustic Kitty habe ein ganz anderes Problem gehabt: Sie habe sich einfach nicht von den Russen einfangen lassen wollen.

20 Millionen Dollar für die Katz

Das Programm – Gesamtkosten 20 Millionen Dollar, was nach damaliger Kaufkraft viel mehr war als heute – wurde jedenfalls abgebrochen, den Katzen wurden die Mikros wieder herausoperiert. Sie hätten noch lange glücklich gelebt; aber das ist vielleicht auch nur eine PR-Aussage, die an das Gute im Menschen glauben machen soll. In diesem Fall: an das Gute in den US-Agenten.

Die Geschichte hat jedenfalls in mehrfacher Hinsicht Beispielcharakter: Sie zeigt, dass Abhörtechnik sehr kreativ eingesetzt werden kann. Und sie betont die menschliche Komponente.

Das menschliche Ohr

Die stand von jeher am Beginn jeder Abhöraktion. Denn bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts passierte Abhören ausschließlich mithilfe menschlicher Ohren. Die Erfolge von Klemens Wenzel Fürst Metternich als Diplomat beim Wiener Kongress und in den drei folgenden Jahrzehnten als gefürchteter Staatskanzler sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er über ein Spitzelnetz blendend darüber informiert war, was seine Feinde (aber auch Freunde) so dachten.

Als Spitzel konnten Dienstmädchen im Haushalt der Zielperson ebenso dienen wie kooperationswillige Intellektuelle, die im philosophischen Diskurs Regimegegner ausgehorcht haben. Metternich und seine Behörde warben Leute des Geisteslebens an, die Zutritt zu Orten hatten, an denen interessante Gespräche geführt wurden, zum Beispiel im Zirkel um Karl Marx. Klingt nach den Informellen Mitarbeitern (IMs) der DDR-Staatssicherheit – und war im Prinzip auch nichts anderes.

Die eigene Schand

Während der mehr oder weniger regimetreue Intellektuelle mit dem nicht ganz so regimetreuen Gegenüber ziemlich offen reden konnte, musste das Dienstmädchen oft an der Wand oder der Tür lauschen, um irgendwelche Informationen zu gewinnen. Das Sprichwort "Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand" stammt wohl aus dieser Zeit.

Aber Schändliches herauszufinden war ja nicht bloß Nebenprodukt, sondern manchmal geradezu Hauptzweck der Informationsbeschaffung. Wenn man nichts über Umsturzpläne herausfinden konnte, so ist dem Dienstmädchen oder dem Butler vielleicht eine außergewöhnliche sexuelle Vorliebe, ein Seitensprung oder auch nur ein öffentlich nicht bekanntes, wenn auch durchaus legales Nebengeschäft der beobachteten Person zu Ohren gekommen: Gut fürs Archiv, vielleicht braucht man ja später einmal Material für eine kleine Erpressung.

Verspieltes Barock

Technische Hilfen beim Abhören wurden früh ersonnen. In der technikverliebten Barockzeit erforschte der Jesuit Athanasius Kircher (1602-1680) nicht nur die Prinzipien von Komposition und Hörakustik (er schrieb unter anderem einen Algorithmus zur automatischen Komposition). Kircher dachte sich auch ein System aus, wie man einen Schlosshof architektonisch so gestalten könnte, dass die dort vertraulich geführten Gespräche durch "Luftlöcher" in den Wänden aufgefangen und über Röhren ins Herrscherzimmer geleitet werden könnten.

Typisch für die verspielte Barockzeit: Das System von schneckenartig angelegten Hörrohren sollte im Mund einer Büste im Privatgemach des Eigentümers enden – so würden die Untertanen direkt (aber ohne es zu wissen) zu ihrem Herrn und Meister sprechen. Ob das System je installiert wurde, ist nicht bekannt.

Die Geschichte technischer Abhöreinrichtungen beginnt mit der Einführung der (militärischen) Telefonie – die über Erdkabel übertragenen Signale erwiesen sich als nicht abhörsicher, woraufhin man versuchte, einfache Verschlüsselungstechniken anzuwenden, die etwa Orts- oder Zahlenangaben bestimmte, nur vom Empfänger dechiffrierbare Codes zugewiesen haben. Allerdings ist diese Art der Verschlüsselung nur so lange sicher, solange die Codes nicht geknackt werden. Die US-Armee hat sich im Ersten Weltkrieg auf eine höchst effiziente Verschlüsselungstechnik verlegt: Sie rekrutierte junge Männer aus Indianerreservaten als Fernmelder. Deren Sprache versteht kein Europäer, dieser "Code" war für die Mittelmächte nicht zu knacken.

Der menschliche Faktor

Dieses Beispiel unterstreicht erneut die Bedeutung des menschlichen Faktors beim Abhören – und auch bei der Abwehr der Lauscher: Als die technischen Möglichkeiten besser geworden sind, haben die psychologischen Aspekte noch an Bedeutung gewonnen. Selbst im militärischen Bereich herrscht bis heute eine haarsträubende Leichtsinnigkeit, wenn es um das Bewusstsein geht, dass abgehört werden könnte. So berichten Sicherheitsexperten, dass Kommandanten der Royal Navy bei einem Seemanöver über Whatsapp kommuniziert hätten – was entgegen allgemeinen Annahmen eben nicht abhörsicher ist. Für russische Beobachter habe das interessante Einblicke geliefert.

Leichtsinn ist eine der Lücken, über die Angreifer an ihre Opfer herankommen. Und das gilt nicht nur beim Vertrauen darauf, dass man ohnehin abgesichert sei – es beginnt schon damit, dass sich viele potenzielle Opfer dessen gar nicht bewusst sind, dass es jemanden geben könnte, der sich für ihre Kommunikation interessiert.

Denn Angreifer, das sind nicht unbedingt feindliche Geheimdienste, wie man sie aus Spionagefilmen zu kennen glaubt – viel öfter steckt hinter Abhörattacken (oder vergleichbaren Angriffen auf Datenverkehr im Internet) eher wirtschaftliches als staatliches Interesse – oder gleich organisierte Kriminalität.

Nur abtesten

In seltenen Fällen sind es auch befreundete Dienste oder private Sicherheitsberater, die "nur" abtesten wollen, ob die Kommunikationseinrichtungen der Verbündeten und ihrer Mitarbeiter tatsächlich verlässlich gesichert sind.

Umgekehrt sind es keineswegs nur die Top-Leute, die abgehört werden. Eine funktionierende Wanze – wie sie das Abwehramt bei Heinz-Christian Strache gefunden haben will – im Büro eines Regierungsmitglieds zu verstecken bedarf eines relativ hohen Aufwands. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies entdeckt wird, ist auch eher hoch, weil die Büros von Spitzenfunktionären eher von Lauschabwehrexperten untersucht werden als etwa die ihrer Pressesprecher. So wurde vor zehn Jahren entdeckt, dass das Telefon des Pressesprechers des Verteidigungsministers verwanzt war – dass die unbekannten Angreifer an den Minister selbst herangekommen wären, wurde nicht bekannt. Aber mitzuhören, was ein naher Mitarbeiter mit dem (und über den) Minister spricht, ist wahrscheinlich ähnlich wertvoll. Daher wird fleißig abgehört.

Heutzutage oft über das Handy. Das kommt – in teurer Version, aber mit Schadsoftware geladen – oft als kostbares Geschenk unter Geschäftsfreunden. Allzu sehr sollte man also nicht an das Gute glauben – auch nicht unter Freunden. (Conrad Seidl, 10.2.2018)