Friedrich Kranebitter, sein Vater Adolf und Schwager Josef Schmirl (v. li.). Gleich nach dem Einmarsch 1938 wird Schmirl von den Nazis ermordet, als Kranebitter Gestapo-Chef von Wiener Neustadt wird. Eine Intervention zugunsten des verhafteten Schwagers lehnt er ab.

Foto: Archiv Gottfried Gansinger

In meinem Standard-Kommentar zu den Burschenschaften (25. 1.) prophezeite ich, kein Rieder Germane wird eine Ahnung von der Biografie des Kriegsverbrechers Dr. Friedrich Kranebitter gehabt haben wollen. Als einziger aktiver Bursche aus den Blütetagen der Verbindung zwischen 1919 und 1933 war der spätere Gestapo-Scherge der Germania-Festschrift im Jahr 2000 ein Porträtfoto mit Namensnennung wert.

Der Jurist aus dem Innviertel, ab 1931 bei der NSDAP, ab 1934 bei der SS, bekleidete nach dem "Anschluss" viele Funktionen: Gestapo-Chef von Wiener Neustadt, Referatsleiter in der Gestapo am Wiener Morzinplatz, Gestapo-Chef von Charkow in der Ukraine und gegen Ende der NS-Herrschaft Abteilungschef in der italienischen Gestapo-Zentrale Verona. Überall hat er schrecklich gewerkt.

Ich hatte gemutmaßt, die Germania werde die Hervorhebung Kranebitters mit seiner Fotogenität begründen. In dem Detail irrte ich: Er war, heißt es in einer Stellungnahme der Rieder Mittelschulverbindung, der Einzige, von dem man ein Foto besaß: "Über seinen weiteren Werdegang nach seiner Schulzeit hatten wir im Jahr 2000 keine Informationen."

Und das, obwohl Kranebitter nach der Entlassung aus dem Gefängnis bis zu seinem Tod 1957 in Oberösterreich lebte und über alte Seilschaften einen Posten bei der Landesbrandschadenversicherung innehatte.

Was die Germania zu wissen glaubt, steht in besagtem Rückblick der Festbroschüre. Einzelne von deren Seiten waren gesponsert. Die mit Kranebitters Foto von der Stiegl Getränke & Service GmbH Neuhofen, die nächste von der VKB-Bank Ried. Da steht: "1939 brach der Zweite Weltkrieg aus, der 1945 so bitter endete. (...) Die ersten Nachkriegsjahre brachten für viele Bundesbrüder Unbill und Verfolgung. Viele wurden aus ihren Ämtern gejagt, viele interniert und insgesamt fast alle verfolgt und verfemt."

Ein dummer Zufall

Kranebitter war einer von ihnen. Im Jahr 2000 baden die Germanen immer noch im Selbstmitleid, anstatt zu hinterfragen, warum fast alle von ihnen nach 1945 zumindest eine Zeitlang Schwierigkeiten hatten. Über den Werdegang eines schillernden Mitglieds will keiner der teilweise schon sehr alten Alten Herren auch nur die geringste Information gehabt haben: Kranebitters Bild in diesem Textzusammenhang – ein dummer Zufall. Wer's glaubt.

Man muss präzise sein. Kranebitter ließ in Charkow nicht 40.000 Juden umbringen, wie das Boulevardblatt Heute schrieb. Das hatte sein Vorgänger erledigt. Gestapo-Chef Kranebitter hat Massentötungen von ukrainischen Zivilisten, Männern, Frauen, Kindern, zu verantworten, zum Teil in umgebauten Gas-Lkws, ebenso wie die Auslöschung großer Teile des italienischen Widerstandes, Katholiken und Kommunisten. Der Autor Primo Levi, ein Überlebender, berichtet darüber.

Am Morzinplatz ist Kranebitter für interne Disziplinarfälle zuständig. Er greift hart durch. Am 25. August 1940 bombardiert die Royal Air Force erstmals Berlin. Der Satz eines kleinen Feindzeitungsauswerters im Pressereferat der Gestapo, darüber brauche man sich nicht zu wundern, wenn das Deutsche Reich tags zuvor London bombardiere, veranlasst Kranebitter, den Mann auf Nimmerwiedersehen nach Dachau zu schicken.

Belegte Verbrechen

Veritabler Massenmord und gut recherchierte Einzelfälle, Kranebitters Wüten lässt einem den Atem stocken. Über den großen Kriegsverbrecherprozess in Charkow vor unzähligen internationalen Beobachtern, bei dem in Kranebitters Abwesenheit seine Untaten verhandelt wurden, erschien in Österreich bald nach dem Krieg sogar ein Buch, Filmaufnahmen finden sich im Internet.

Von den Oberösterreichischen Nachrichten darauf angesprochen, dass für die Germania der Zweite Weltkrieg so bitter endete, weicht ihr Sprecher aus. Es sei komisch, meint er, dass man auf eine Festschrift aus dem Jahr 2000 zurückgreift. "Es gibt jüngere Festschriften, die man zurate ziehen könnte." Ja eh. Noch komischer ist es freilich, dass Herr Mösenbacher das komisch findet. Eine Geste des Bedauerns? Fehlanzeige.

Die ominöse Festbroschüre, einbegleitet mit herzlichen Dankesworten vom oberösterreichischen Kulturreferenten Landeshauptmann Josef Pühringer, macht sich auf kritische Einwände ihren eigenen Reim: Es gebe eine schlimme Meinungsdiktatur in diesem Land, "die planmäßige Vergiftung von Dichtung, Theater, bildender Kunst, Architektur", wohlgemerkt in der Gegenwart, nicht unter Hitler.

Das hat etwas für sich, schließlich sind untadelige Autoren von Rang wie Ernst von Salomon, auf der offiziellen Homepage des Landes als Lieblingsdichter von LH-Stellvertreter Haimbuchner ausgewiesen und wegen Beihilfe zum Mord am jüdischen deutschen Außenminister Walter Rathenau rechtskräftig zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, nur noch Eingeweihten ein Begriff. Haimbuchner lässt es sich denn auch nicht nehmen, den Germanen in der aktuellen Debatte beizuspringen. Er zeigt sich laut ORF verwundert, "dass das Abdrucken eines historischen Fotos ohne jeden Bezug als Würdigung eines Nationalsozialisten bezeichnet wurde".

Wenn namhafte Firmen zur Jahrtausendwende nichts dabei fanden, solche Publikationen zu sponsern, wenn ein unverdächtiger Landeshauptmann, dem man gleichzeitig indirekt unterstellte, die Künste planmäßig zu vergiften, nette Worte zum bösen Spiel beisteuerte, dann zeigt sich, um es milde auszudrücken, ein erstaunlich entkrampftes Verhältnis zu Gruppen, deren Äußerungen mehr als problematisch sind. Die Konsequenzen dieser mangelnden Abgrenzung haben wir jetzt zu tragen. Wenigstens plumpe Ausflüchte sollte man den gar nicht so mannhaften Recken aber nicht mehr durchgehen lassen.

Ungeist beim Namen nennen

In meinem Kommentar sprach ich mich gegen die pauschale Unterstellung aus, jeder schlagende Verbindungsmann sei per se NS-affin. Daran halte ich fest. Zu den erfreulicheren Reaktionen auf meine Anregung, sich innerhalb deutschnationaler Burschenschaften überzeugend vom Liebäugeln mit dunklen Zeiten zu distanzieren, zählt Günther Barnets Versuch einer halbwegs (selbst)kritischen Standortbestimmung im Standard vom 3./4. Februar. Bei aller Distanz: Darauf lässt sich aufbauen. Auch die Germanen zu Ried sollten in sich gehen. Über ihre Mitglieder, darunter FP-Landesrat Elmar Podgorschek, erteilen sie keine Auskunft, sagt ihr Sprecher den Oberösterreichischen Nachrichten. Das dürfte die Anständigen unter ihnen nicht daran hindern, selbst Farbe zu bekennen und den Ungeist beim Namen zu nennen. (Ludwig Laher, 7.2.2018)