Der Tenorsaxofonist David Murray trifft Saul Williams – also engagierten Sprechgesang, alternativen Hip-Hop und Poetry-Slam.

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Wien – Der verstorbene Jazzhistoriker und publizistische Jazzpionier, Joachim Ernst Berendt, hat David Murray einst zum Antipoden einer Entwicklung auserkoren, die er an Trompeter Wynton Marsalis – als Symbolfigur – festmachte.

Murray war für Berendt, als aus dem Freejazz kommender und Tradition sehr liberal und hitzig interpretierender Instrumentalist, ein gewichtiger Gegenpol zu einer restaurativ wirkenden, dogmatisch dahertönenden Richtung. Selbige presste den Jazz in einen engen Regelrahmen. Marsalis war und ist ihr Aushängeschild.

Das alles ist eine Weile her. Marsalis ist nach wie vor mächtig und da. Aber auch David Murray, der Mann aus Oakland, Kalifornien, wirkt weiter auf Höchstniveau und wird angriffig, wenn es darum geht, Dogmen zu geißeln. Als Vertreter einer viele afroamerikanische Stile bündelnden Strömung ist auch sein Spiel voll der historischen Bezüge. Bei Murray jedoch wirkt ein elastischer Traditionalismus.

In dessen Improvisationen schimmert der lyrische Hauch eines Colema Hawkins ebenso durch wie der protestierende Schrei der 1960er. Blues ist ebenso im Programm wie Gospel, Hardbop und Soul. Und all dies findet sich zu einem Instrumentalgesang verschmolzen, der gern verzückt Geschichten erzählt.

Trauriges Treffen

Seit zwei Jahren kooperiert Murray nun mit dem Poeten, Schauspieler und Sänger Saul Williams. Sie trafen einander 2014 bei einem traurigen Ereignis, bei der Beerdigungszeremonie des Aktivisten und Schriftstellers Amiri Baraka, und beschlossen, eine Zusammenarbeit zu versuchen.

Der unaufgeregte Vortragsstil von Williams, der mit alternativem Hip-Hop und Poetry-Slam zu tun hat, bildet für die Band von Murray (Pianist Orrin Evans, Bassist Jaribu Shahid und Drummer Nasheet Waits) eine zusätzliche Farbe.

Wobei es dann Murray ist, der die Musik in ekstatische Höhen trägt, die dann auch an die späte Phase von John Coltrane (mit den sparsamen akkordischen Rückungen) erinnert. Auch der impulsive Saxofonist Albert Ayler ist wichtig, aber Murray, lange Jahre Mitglied des World Saxophone Quartets, wendet ein: "Ich bin kein Ayler-Schüler. Ich habe immer Ben Webster, Coleman Hawkins und Lester Young, Sonny Rollins und Sonny Stitt studiert. Ayler hat das Tenorsaxofon auf eine neue Stufe gehoben – das zeichnet ihn aus." Das gilt es aber individuell zu verarbeiten. (Ljubisa Tosic, 8.2.2018)