Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger will nicht "ewiger Oppositionspolitiker" bleiben.

Foto: Florian Lechner

STANDARD: Ihr Wahlkampf hat über die Landesgrenzen für Aufsehen gesorgt. Würden Sie sagen, da ging was daneben, oder war das gewollt?

Abwerzger: Um hier ein STANDARD-Zitat zu verwenden: Wir wissen immer genau, was wir tun. Im Wahlkampf ist es auch Ziel, aufzufallen, um im Spiel zu bleiben. Wir haben bei den Firmenplakaten reagiert, um Streit zu vermeiden. Aber wir würden es wieder machen. Und was die Trommler betrifft, das ist dieser Reflex, der mir nicht passt, wenn sich hier einige an dunkle Zeiten erinnert fühlen. Darum habe ich das Fairnessabkommen nicht unterschrieben, weil die Grünen und die ÖVP es als Erste gebrochen haben. Ich habe Nachweise, dass die Grünen in meinem Privatleben herumstöbern. Ist das Sache der Politik?

STANDARD: Fühlen Sie sich, angesichts der Berichterstattung wie am Freitag im ORF Tirol, von den Medien ins rechte Eck gedrängt?

Abwerzger: Natürlich, das sieht man an der Berichterstattung des ORF Tirol und insbesondere an den reflexartigen Reaktionen in den sozialen Medien sowie mancher Parteien. Ich empfinde das ständige Schwingen der Nazikeule als eine Verharmlosung dieses verbrecherischen Regimes. Die letzten Wahlkämpfe gehen derart unter die Gürtellinie, dass man sich ernsthaft fragt: Warum soll man sich das antun? Diese Entwicklung müssen wir stoppen, damit meine ich wirklich alle, Politiker und auch die Medien.

STANDARD: Die Themen Gerechtigkeit und Sicherheit dominieren Ihre Plakate. Was ist in Tirol ungerecht, wo fühlen Sie sich unsicher?

Abwerzger: Das Sozialsystem ist ungerecht. Etwa bei der Mindestsicherung, wo das Verhältnis 40 Prozent Inländer zu 60 Prozent Ausländer ist. Sozialleistungen sind für jene, die nicht arbeiten können, aber nicht für jene, die nicht arbeiten wollen oder noch nichts ins System einbezahlt haben. Ungerecht sind auch der zu kleine Bezieherkreis beim Heizkostenzuschuss und die Situation der Obdachlosen in Innsbruck. In Tirol darf kein Mensch auf der Straße liegen müssen. Schäbig ist zudem der Umgang des Landes mit den Heimopfern, die man in Zivilprozesse zwingt.

STANDARD: Und warum fühlen Sie sich unsicher in Tirol?

Abwerzger: Ich fühle mich nicht unsicher in Tirol, diesen Eindruck will ich nicht erwecken. Aber wir haben ein Kriminalitätsproblem. Wir hatten in Tirol bei nicht permanenten Grenzkontrollen im Jahr 2017 rund 7.000 Aufgriffe illegal Eingereister. In den Ballungszentren wird die kriminelle Nordafrikanerszene von Tschetschenen und Afghanen beim Drogenverkauf und Gewaltdelikten unterstützt. Da gibt es eine Bandenstruktur und die Möglichkeit, Tirol sicherer zu machen.

STANDARD: Wollen Sie den Brenner zur Sicherheit dichtmachen?

Abwerzger: Mein Ziel wäre, dass effektiver und mehr kontrolliert wird. Wir leben in der Europaregion Tirol. In diesem Sinne wären wir dafür, die permanenten Kontrollen an der Mautstelle in Sterzing zu machen. Zwischen Italien und Frankreich wird das auch so gehandhabt. Das hätte den Vorteil, dass jedes Auto stehenbleiben muss, und bei Aufgriffen wüsste man, dass sie aus Italien kommen, und kann sie zurückschicken.

STANDARD: Numerus-clausus-Flüchtlingen aus Deutschland wollen Sie einen Riegel vorschieben. Wie soll das EU-konform gehen?

Abwerzger: Wir haben mehr als 40 Prozent ausländischer Studenten an der Uni Innsbruck. Wenn Österreicher keinen Platz im Medizinstudium bekommen und die Deutschen, die wir ausbilden, sofort wieder weg sind, habe ich ein Problem. Das machen wir mit Studiengebühren so, wie die Deutschen bei der Pkw-Maut: Die Österreicher kriegen das zurück, und die Deutschen müssen es bezahlen. Oder wir verpflichten sie, drei Jahre nach dem Studium als Ärzte in Österreich bleiben zu müssen. Das dürfte arbeitsrechtlich funktionieren, bei Piloten gibt es bereits ähnliche Regelungen.

STANDARD: Im Kulturbereich wollen Sie "Förderungen auf ein vernünftiges Maß zurückzuschrauben", feministische und queere Kunst sollen nichts mehr erhalten. Wieso?

Abwerzger: Wir haben einen Förderdschungel. Daher sollte man im Land eine Institution schaffen, die darauf schaut, dass es keine Doppel- oder Mehrfachförderungen gibt. Jeder hat einen anderen Kunstbegriff, daher bin ich für das amerikanische System, das mit privaten Geldern arbeitet. Bei der Förderung von Kunst und Ausstellungen hat die öffentliche Hand wenig verloren. Queere und feministische Kunst braucht aus meiner Sicht keine öffentlichen Gelder. Die Tradition und das gelebte Heimatbewusstsein in Tirol wollen wir hingegen fördern, weil es kulturstiftend ist und man damit die Masse erreicht.

STANDARD: Für Asylwerber fordern sie kleinstrukturierte Unterkünfte. Widersprechen Sie damit nicht Ihrer Bundespartei?

Abwerzger: Das kommt auf die Anzahl an. In Tirol hat es sich bewährt, wenn man Asylberechtigte oder Asylwerber mit Familien in Dörfern integriert. Bei Großstrukturen wie in Innsbruck hat es immer Probleme gegeben. Was menschlich verständlich ist, wenn man 300 Personen auf engstem Raum zusammenfasst.

STANDARD: Im Wahlkampf wettern Sie gegen die schwarze Tiroler VP und loben die türkise Bundes-ÖVP. Wo liegt der Unterschied?

Abwerzger: Der ist augenscheinlich. Die einzigen Querschüsse bei den Koalitionsverhandlungen kamen aus Tirol. Wenn eine Partei 40 Prozent oder mehr hat, tut das der Demokratie nicht gut. Das gilt auch für Kärnten zu FPÖ-Zeiten. Wir streben in Tirol Regierungsverantwortung an, um der ÖVP die Grenzen aufzuzeigen und weil ich nicht ewiger Oppositionspolitiker sein will. Aber nicht um jeden Preis, sondern nur, wenn eine freiheitliche Handschrift erkennbar wäre. Alles unter 15 Prozent der Stimmen wäre allerdings kein Wählerauftrag dafür. (Steffen Arora, 12.2.2018)