Johanna Mikl-Leitner mit Vorgänger Erwin Pröll, der sich am Wahlabend als einer der ersten Gratulanten einstellte.

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Das niederösterreichische Wahlrecht ist für einige Besonderheiten bekannt. Der Grundsatz "Person schlägt Partei", die Verwendung nichtamtlicher Stimmzettel und die diesmal erfolgten willkürlichen Streichungen von Zweitwohnsitzern aus dem Wählerregister haben schon wiederholt für Diskussionen gesorgt.

Aber es gibt auch subtilere Mechanismen, die der ÖVP im Land unter der Enns dienlich sind. Dazu gehört etwa das Sitzzuteilungsverfahren nach Victor D'Hondt, einem belgischen Juristen des 19. Jahrhunderts. Dieses Verfahren ist kein Spezifikum Niederösterreichs, es wird etwa auch bei Nationalratswahlen sowie in dutzenden anderen Ländern der Welt verwendet, um Stimmen in Mandate umzurechnen.

Vorteil für die Großen

Wiewohl es sich dabei im Grunde um ein proportionales Zuteilungssystem handelt, ergibt sich aus der spezifischen Berechnungsmethode ein kleiner Vorteil für größere Parteien (wie etwa die ÖVP Niederösterreich), der mit zunehmendem Abstand zu kleineren Parteien noch anwächst.

Das Verfahren nach D'Hondt funktioniert so: Man nimmt die Parteisummen (die Zahl der gültigen Stimmen) aller Parteien, die es über eine etwaige Sperrklausel geschafft haben, und schreibt sie nebeneinander. Man dividiert jede dieser Parteisummen durch 1, 2, 3 … und notiert die Ergebnisse dieser Divisionen unter der jeweiligen Parteisumme. Aus dieser Zahlenmenge wählt man dann die x höchsten Werte, wobei x der Anzahl zu vergebender Mandate entspricht. Wer diese Erklärung zu abstrakt findet, kann das ganze hier einfach einmal ausprobieren.

In Niederösterreich, wo nicht nur das Kräfteverhältnis im Landtag, sondern qua Proporz auch die Sitzverteilung in der Landesregierung durch das Wahlergebnis determiniert wird, führt das D'Hondt'sche Verfahren dazu, dass die ÖVP mit rund 50 Prozent der Stimmen ganze sechs der neun verfassungsmäßig vorgeschriebenen Landesregierungsmitglieder stellen kann:

Erst bei 13 Landesregierungssitzen würde einer an die Grünen (6,4 Prozent der Stimmen) gehen, gar 17 Landesräte müsste es geben, damit die Neos (5,2 Prozent) vertreten wären.

Ganz anders schaut die Sache aus, wenn man ein anderes Zuteilungsverfahren heranzieht. Hier beispielsweise die Zuteilung nach dem Höchstzahlverfahren von Sainte-Laguë/Schepers, das unter anderem bei Bundestagswahlen in Deutschland zum Einsatz kommt:

Dieses Verfahren funktioniert exakt wie jenes nach D'Hondt, nur wird nicht durch 1, 2, 3 … diviert, sondern durch 0,5, 1,5, 2,5 et cetera. Dadurch senkt sich die Hürde, die kleine Parteien überspringen müssen. In der Folge hätte die Landesregierung in Niederösterreich auch ein grünes Mitglied. Für die Neos ginge sich schon bei zehn Sitzen der Einzug aus.

Um die Kirche im Dorf zu lassen: Der Unterschied zwischen den beiden Verfahren wird am Ende selten zu großen politischen Verschiebungen führen. Aber da oder dort können schon kleine Verschiebungen etwas ausmachen. Im niederösterreichischen Landtag etwa hat die ÖVP seit der Wahl 29 von 56 Mandaten. Eines weniger – und die Partei wäre bei jedem Landtagsbeschluss auf einen Bündnispartner angewiesen. Und ja, auch dieses 29. Mandat bekommt die ÖVP nur aufgrund des D'Hondt'schen Verfahrens zugesprochen. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 14.2.2018)