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Stammzellen können sich zu anderen Zelltypen weiterentwickeln und sind daher für Forscher und Transplantationsmediziner interessant. Im Bild zu sehen: embryonale Stammzellen einer Maus.

Foto: Science Photo Library / Picturedesk

Bei einigen lebensbedrohlichen Erkrankungen wie etwa schwerem Herz-, Lungen- oder Leberversagen können nur noch Organtransplantationen helfen. Allerdings gibt es viel zu wenige Spenderorgane, sodass immer wieder Menschen sterben, bevor ein passendes Organ für sie verfügbar ist. Als Alternative zur Organtransplantation wird deshalb seit Jahren die Transplantation von Gewebestammzellen erforscht. Das bisher einzige nachweislich erfolgreiche Verfahren dieser Art ist die Blut-Stammzell-Transplantation.

Vor kurzem wurde auch die Transplantation von Hornhaut- sowie von Knorpelstammzellen zugelassen. Weniger erfolgreich ist bisher die Transplantation von sogenannten Langerhanszellen der Bauchspeicheldrüse, die künftig eine bessere Behandlung von Diabetes Typ 1 ermöglichen soll. Auch zur Leberzelltransplantation als Alternative zu einer Lebertransplantation laufen klinische Studien. Alles in allem befindet man sich also noch mitten in der Forschungs- und Testphase.

Dennoch bieten zahlreiche mehr oder weniger seriöse private Institute weltweit Stammzelltransplantationen für alle möglichen Probleme an: um das jugendliche Aussehen zu konservieren, erkrankte Organe zu heilen oder Verletzungen zu behandeln. Den Anwendungsfeldern sind dabei kaum Grenzen gesetzt, da Stammzellen die Fähigkeit haben, sich in verschiedenste Zelltypen weiterzuentwickeln.

Vollmundige Versprechen

Sie sollen, so die vollmundigen Versprechen, kranke oder alternde Zellen im Körper reparieren oder ersetzen. Der kleine Haken dabei, der in den Hochglanzbroschüren dezent verschwiegen wird: "Noch gibt es keine Beweise, dass diese Verfahren tatsächlich funktionieren", betont Dirk Strunk, Leiter des Zelltherapie-Instituts der Paracelsus Medizin-Uni in Salzburg.

Womit man allerdings rechnen müsse, sei eine Reihe unkontrollierter Risiken. Eine weitgehend unterschätzte Gefahr von Zelltransplantationen sei vor allem das Thromboserisiko. Dieses ist gegeben, wenn Gewebezellen in die Blutbahn eindringen und dort Mikrothrombosen auslösen, die schließlich zu Schlaganfällen oder Lungenembolien und Ähnlichem führen können. "Diese Gefahr wird bei Stammzelltransplantationen meist nicht berücksichtigt, obwohl bereits mehrere Forschergruppen darauf hingewiesen haben", weiß der Zelltherapieexperte.

Spezielles Verfahren

Dirk Strunk hat die Warnungen aufgegriffen und sich gemeinsam mit seiner Kollegin Katharina Schallmoser vom Institut für Transfusionsmedizin mit diesem Problem beschäftigt. Als Ergebnis dieser jahrelangen Arbeit haben die Forscher nun ein neues Verfahren präsentiert, mit dem die Gerinnungsaktivität von Zelltransplantaten gemessen werden kann. "Wir haben ein bisher für andere Anwendungen eingesetztes Verfahren für unsere Zwecke so modifiziert und optimiert, dass wir damit nun erstmals die Gerinnungseigenschaften verschiedener Stammzellen messen können." Die Forscher nennen das Verfahren "Plasma-Rotationsthrombelastometrie". Damit werden zurzeit in Salzburg die unterschiedlichsten Arten von Stammzellen auf ihre thrombosefördernden Eigenschaften untersucht werden.

Die bisherigen Ergebnisse haben die Wissenschafter überrascht: "Die Untersuchungen ergaben, dass Stammzellen aus dem Knochenmark weitaus weniger Gerinnungskomplikationen verursachen als Stammzellen aus anderen Geweben wie etwa der Nabelschnur oder dem Fettgewebe", berichtet Dirk Strunk. "Dass nur ein geringer Teil der Knochenmarkstammzellen diese Gerinnungseigenschaft hat, war ein glücklicher Zufallsbefund."

Zellaufreinigung

In der Folge gelang es den Forschern mittels "Zellaufreinigung" dann auch noch, das Gerinnungspotenzial von Knochenmarkstammzellen so gut wie ganz zu eliminieren. "In unserem neuen Zytometrie-Zentrum haben wir ein entsprechendes Gerät, das bis zu 10.000 Stammzellen pro Sekunde nach ihren biologischen Eigenschaften sortieren kann", erklärt der Wissenschafter. So lassen sich die gerinnungsauslösenden Stammzellen rasch identifizieren und aus dem Zellprodukt entfernen.

Letztlich hängt die Thrombosegefahr also von der Menge der gerinnungsaktiven Zellen ab: "Unterhalb einer kritischen Menge kann der menschliche Körper offenbar mit kleineren Thrombosen umgehen", so Dirk Strunk. "Wird diese jedoch überschritten, kann es zu massiven Problemen und sogar zum Tod des Patienten kommen."

Zurzeit laufen weltweit mehr als 800 klinische Studien allein mit Bindegewebsstammzellen und noch viel mehr mit anderen Stammzellen. Das Gerinnungsrisiko der verwendeten Zellen werde dabei aber nicht überprüft. "Um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten, sollte das jedoch grundsätzlich getan werden." Mit dem neuen Salzburger Messverfahren ist das nun auch problemlos möglich. "Insbesondere wenn Stammzellen in die Blutbahn gespritzt werden, sollte vorher unbedingt das Thromboserisiko ermittelt werden", betont der Forscher. "Gerade in privaten Einrichtungen, für die Zelltransplantationen ein äußerst lukratives Geschäft sind, wird dieses Risiko allerdings meist nicht abgewogen."

Relativ sichere Transplantate

Mit den neuen Erkenntnissen des Salzburger Forscherteams kann man nun zwar die Gerinnungsaktivität von Zelltransplantaten messen und sogar relativ sichere Transplantate aus Knochenmarkstammzellen herstellen, doch um die Wirkung am Menschen abschätzen zu können, sind auch hier noch umfangreiche Reality-Checks in Form von klinischen Studien nötig. Der nächste Schritt wäre dann die Entwicklung neuer, genetisch veränderter Zellarten, die von Grund auf keine thrombosefördernden Eigenschaften mehr haben. Aber das ist eine andere Geschichte. (Doris Griesser, 26.2.2018)