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San Francisco gilt mit seinen verwinkelten Gassen und chaotischer Verkehrssituation als ideales Testgebiet für autonome Fahrzeuge.

Foto: Reuters / Stephen Lam

Wien – Kaliforniens Autofahrer müssen künftig nicht mehr im Fahrersitz Platz nehmen. Vielleicht damit es nicht wie ein Scherz wirkt, tritt im US-Bundesstaat ein neues Gesetz für autonomes Fahren erst am zweiten April in Kraft. Mit den neuen Regeln werden Passagiere in selbstfahrenden Autos nicht mehr verpflichtet, im Ernstfall das Steuer ihres Robo-Autos zu übernehmen, wie das kalifornische Amt für Kraftfahrzeuge am Montag bekanntgab. Damit ist der Weg frei für Testfahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale.

Die wirtschaftlichen Möglichkeiten einer fahrerlosen Welt sind bestechend. Ohne den einschränkenden Faktor Mensch fallen übliche Arbeitszeiten für Lkw- und Taxifahrer weg. Wenn intelligente Autos miteinander kommunizieren, fließt der Verkehr besser, erwarten Experten.

Doch der Weg bis dahin ist noch weit. Mit der Zulassung fahrerloser Testautos sichert sich Kalifornien die Standortführerschaft beim autonomen Fahren. Bereits 50 Firmen aus der ganzen Welt haben eine Lizenz erhalten. Von Techgiganten wie der Google-Schwester Waymo, Apple und Samsung über die großen Autohersteller bis zu gut kapitalisierten Start-ups wie Zoox stehen Entwickler in den Startlöchern. Auch der jüngste Einstieg des chinesischen Autokonzerns Geely als neuer Hauptaktionär bei Daimler wurde mitunter damit begründet, eine Allianz für das autonome Fahren zu schmieden.

US-Firmen in Poleposition

Laut einer Studie des Marktforschers Navigant Research hätten GM und Waymo die Nasenspitze im Robo-Autorennen vorn, dicht gefolgt von den deutschen Konzernen Daimler und Bosch, die in dem Bereich kooperieren, sowie Volkswagen. Für GM habe sich 2016 der Kauf des Start-ups Cruise, eines Softwareentwicklers für autonomes Fahren, um über eine Milliarde Dollar ausgezahlt. Die Zusammenarbeit der innovativen Programmierer mit den erfahrenen Ingenieuren hätte GM sowohl in Sachen Strategie als auch Ausführung vorangebracht. Jüngst hat der Konzern bei der US-Regierung beantragt, das Modell Chevrolet Bolt in einer lenkrad- und pedallosen Version en masse zu produzieren.

Abgeschlagen ist laut dem Bericht ausgerechnet der innovative Elektroautohersteller Tesla. Eine Ankündigung des Firmengründers Elon Musk aus dem Vorjahr, dass bis 2019 per Softwareupdate heutige Teslas zu vollkommen autonomen Fahrzeugen aufgerüstet würden, sehen die Analysten skeptisch. Dazu fehle es dem bestehenden Fuhrpark an der notwendigen Hardware.

Mensch und Computer in eine gemeinsame Verkehrssituation zu bringen birgt noch viele Herausforderungen. Daher enthält das neue Gesetz in Kalifornien eine Reihe von Sicherheitsvorschriften. Hersteller müssen jederzeit in der Lage sein, ihre Testautos fernzusteuern wie bei einem Flugsimulator. Außerdem müssen die Fahrzeuge vor Cyberattacken sicher sein und mit einem Polizisten kommunizieren können, der den Wagen aufhält. Zudem sind die Entwickler verpflichtet, sämtliche Fahrtendaten aufzuzeichnen. Die Zahl der sogenannten Disengagements, also wenn der Mensch in einer unklaren Verkehrssituation für den Computer das Steuer übernimmt, ist bereits heute den Behörden zu melden (dabei punktet bisher Waymo).

Ethische Computer

Für Juristen stellt sich außerdem die Haftungsfrage, wer bei einem Unfall die Verantwortung trägt. Mit der nächsten Generation an lenkradlosen Autos ist zumindest der Benutzer aus dieser Rechnung ausgeschlossen.

Für die Programmierer stellt sich außerdem ein ethisches Dilemma. Wen soll der Computer schützen, wenn er vor der Wahl steht, einen Passanten oder den Insassen zu verletzen. Im Vorjahr hat eine deutsche Expertenkommission einen Verhaltenskodex für autonome Fahrzeuge ausgearbeitet. Zusammengefasst: Mensch (egal ob im Auto oder nicht) vor Tier vor Gegenständen. Das hieße im Ernstfall auch gegen eine Mauer zu fahren, um einer Fußgängergruppe auszuweichen.

Laut Umfragen befürwortet eine Mehrheit solche Regeln für selbstfahrende Autos, die alle Menschenleben gleich bewerten. Allerdings gibt es für Hersteller ein Problem: Die Befragten wollen lieber ein Auto kaufen, das dazu programmiert ist, ihren Besitzer bevorzugt zu schützen.

So oder so, sind Experten überzeugt, würde die Zahl der Unfälle sinken, wenn intelligente Computer am Steuer sitzen. Der Praxistest in Kalifornien wird jedenfalls wesentlich über die Zukunft der Robo-Autos mitbestimmen. (Leopold Stefan, 28.2.2018)