Susanne Schnabl, ORF-Moderatorin und Politikjournalistin, legt mit "Wir müssen reden. Warum wir eine neue Streitkultur brauchen" ein demokratiepolitisch begründetes Plädoyer für einen anderen Umgang miteinander vor.

Foto: Brandstätter Verlag

"Wir müssen reden." Ein Satz, von vielen gefürchtet oder zumindest mit Unbehagen vernommen – ob von Teenagern, die zum Elterngespräch zitiert, oder von Lebenspartnern, die zur Beziehungsarbeit dirigiert werden. ORF-Journalistin Susanne Schnabl richtet diese Aufforderung nun an uns alle. "Wir müssen reden", schreibt sie in ihrem Buch, aber anders als bisher, anders als in den digitalen und realen "Filterblasen", in denen immer seltener miteinander, nicht einmal übereinander, sondern vor allem gegeneinander geredet wird.

Wobei "reden" mitunter fast schon euphemistisch klingt, wie Schnabl beklagt. Es wird gebrüllt, angegriffen, ge- und verurteilt. "Die Besser- und Alleswisser haben die Mehrwisser abgelöst ... und die Lautsprecher sind nahezu immer voll aufgedreht." Duell statt Dialog. Schnabls Schlussfolgerung lautet daher: "Wir brauchen eine neue Streitkultur."

"Zornige Frau im Netz"

Das Warum erläutert sie anhand einer Reise nach Floridsdorf. Im Nagelstudio von Frau T., einer "zornigen Frau im Netz", die Facebook mehr glaubt als den ohnehin "gesteuerten Medien", macht sich die Report-Moderatorin auf die Suche nach Antworten, nach Erklärungen für die Wut, die sich in den sozialen Medien – mit dem Wort "sozial" oft nur noch sehr am Rande getroffen – so häufig ungezügelt Bahn bricht. Susanne Schnabl tut das, indem sie das Gespräch auf Augenhöhe sucht – und auch Frau T. lässt sich darauf ein -, im echten Leben mit der Besucherin aus dem Fernsehen. Im virtuellen Raum hat die Wutbürgerin mittlerweile ihre Konsequenzen gezogen. Sie postet im Netz nur noch Unverfängliches: Kalendersprüche statt Politik.

Das aber will Politikjournalistin Schnabl aus einer demokratiepolitischen Sicht nicht als Ende der Geschichte stehen lassen. Denn: "Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine." Aber bitte zivilisierter, konstruktiver Streit. Und wie geht der? Lieber öfters einmal fragen, nicht nur als Journalistin, statt sich immer gleich zu empören, mehr zuhören, offen sein – und mehr Sachlichkeit statt Drama. (Lisa Nimmervoll, 5.3.2018)