Wenn Doris Knecht geht, egal ob in der Stadt, auf dem Land oder am Berg, tut sie nicht nur ihrem Körper Gutes. Auch ihre Gedanken beginnen zu schweben und zu fliegen.

Foto: Irina Gavrich

Schaut so aus, als werde es endlich Frühling, und deshalb gehen wir gleich weiter. Erstens: Weil wir es können. Ich konnte ein paar Wochen nicht so gut gehen, wegen einer Sportverletzung (nennen wir es einfach mal so), und weiß jetzt wieder: Gehen können ist ein großartiges Glück. Man setzt einfach nur einen Fuß vor den anderen, es ist so einfach wie Atmen. Es ist für alle gratis. Man braucht dafür nirgends hinzufahren, man kann überall gehen, in der Stadt und aus der Stadt hinaus, in der Höhe und im Flachen.

Man braucht dafür nichts, was man nicht schon hat, keine Extraausrüstung, keine Geräte. Es schadet nicht dem Klima. Und es bewirkt, wenn man es nicht übertreibt, ausschließlich positive Sachen beim Gehenden: Es kräftigt die Muskulatur und stärkt das Herz-Kreislauf-System, es ist gut für die Psyche und es regt das Gehirn an. Die Gedanken befreien, verselbstständigen sich, krallen sich an irgendeinem Anblick fest, wickeln sich darum herum und lösen sich wieder, sie schweben, fliegen, konzentrieren sich. Man kann es nicht beschreiben, aber es geschieht; verlässlich, immer.

Zwei gesunde Haxen

Deshalb kann ich nur schwer begreifen, warum so viele Leute, die zwei gesunde Haxen haben, dieses Privileg nicht nutzen. Wer einmal gemerkt hat, wie gut das Gehen tut, und dass es einem danach zuverlässig besser geht als vorher: Man kann danach süchtig werden, und das ist dann stärker als die naturgemäße Trägheit, die einen davon abhält, einfach loszumarschieren.

Zweitens nämlich: Weil wir es können. Einfach losgehen, irgendwohin. Wohin wir wollen, praktisch grenzenlos. Durch sichere, saubere intakte Städte, durch gesunde Wälder, fette Wiesen, blühende Natur mit freundlichen, dekorativen Tieren. Privileg, Privileg, Privileg. Es ist ein guter Moment, wenn man das begreift.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt erwachsenen Menschen übrigens 10.000 Schritte täglich. Bei einer durchschnittlichen Schrittlänge zwischen 60 und 70 Zentimeter sind das täglich sechs bis sieben Kilometer, das wirkt im Moment ziemlich viel.

Allerdings hat ja fast jedes Smartphone einen Schrittzähler automatisch eingebaut (falls nicht: App), und der weist mir derzeit durchschnittlich um die 2000 bis 3000 Schritte täglich aus, trotz Heimarbeit in keinem mehrflügeligen Schloss und obwohl das Handy die meiste Zeit irgendwo herumliegt. Note to self: Das Handy mal einen Tag lang am Arm festbinden, mit diesem Klettarmband, das man einst erstand, als man noch daran glaubte, einmal eine echte Läuferin zu werden. Andere Geschichte; ein andermal. (Doris Knecht, RONDO, 26.3.2018)

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