SPÖ-Parteichef Christian Kern kündigte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur BVT-Affäre an.

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Wien – "Es wird Jahre zurückgehen": So viel verrät die SPÖ schon jetzt, wie tief sich ihr parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Affäre rund um den Verfassungsschutz in die Materie hineinarbeiten soll. Dass es das Aufklärungsgremium geben wird, ist seit Dienstag fix: Schon am Mittwoch wollen die Sozialdemokraten einen entsprechenden Antrag im Nationalrat einbringen, verkündete Parteichef Christian Kern – und zwar allein. Wohl aber wolle man mit den anderen Oppositionsparteien, also den Neos und der Liste Pilz, zusammenarbeiten, versicherte der Abgeordneter Kai Jan Krainer, der die rote Fraktion im U-Ausschuss leiten soll.

In der Affäre rund um eine Razzia beim Verfassungsschutz stellt sich FPÖ-Chef Vizekanzler Heinz-Christian Strache hinter Innenminister Herbert Kickl. Nicht Kickl, sondern die Staatsanwaltschaft habe das Vorgehen bestimmt.
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Bis bekannt wird, welche Zeugen im U-Ausschuss befragt werden, wird aber noch viel Zeit vergehen: Erst wolle man die Akten studieren, erklärt Krainer. Die werden aber wohl erst nach und nach ab Mai geliefert. Starten kann der U-Ausschuss dann erst im "Juli oder August". Einerseits beansprucht der parlamentarische Fristenlauf einige Zeit, andererseits werde das Zurverfügungstellen der Akten wohl rund vier bis sechs Wochen in Anspruch nehmen, heißt es in der SPÖ.

Umstrittene Hausdurchsuchung

Ein zentrales Thema des U-Ausschusses wird die umstrittene Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus, kurz BVT genannt, sein. "Es ist reichlich unklar, was da genau passiert ist", sagte Kern.

Die Pressekonferenz in voller Länge zum Nachsehen.
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Dass der Leiter der mit der Razzia betrauten Polizeieinsatzgruppe, Wolfgang Preiszler, auf Facebook rechtsextreme Inhalte geteilt habe, zeigt für den SPÖ-Chef, "dass er sich privat in Kreisen bewegt, gegen die das BVT ermittelt" – und das allein sei schon fragwürdig.

Auch die Tatsache, dass der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon in der Nationalratssondersitzung am Montag aus geheimen Daten zitiert habe, sei ein Indiz dafür, dass sensible Daten aus dem BVT bereits im ÖVP-Klub gelandet seien, glaubt Kern. Und auch die vermeintliche Verwanzung des Büros von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wird wohl Thema sein.

Einfach wird es dieser U-Ausschuss jedenfalls nicht haben: Vieles ist vertraulich, einige Zeugen werden sich auf das Amtsgeheimnis oder auf ihr Entschlagungsrecht berufen. Der SPÖ ist das bewusst: Man werde "keine einfachen Arbeitsbedingungen" vorfinden, so Kern. Trotzdem sei es wichtig, die Affäre aufzurollen.

Minister als Zeuge

Einige Namen auf der Zeugenliste sind jedenfalls schon jetzt so gut wie fix: Der amtierende Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wird ebenso darunter sein wie seine Amtsvorgänger Wolfgang Sobotka und Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP). Die Neos haben sich diesbezüglich schon festgelegt.

Neos-Boss Matthias Strolz sagte allerdings zum STANDARD: "Im Sinne der Aufklärung und der Verantwortung für die Republik halte ich den alleinigen Beschluss der SPÖ für falsch." Mit gemeinsamer Schlagkraft würde man bei der Untersuchung sicher weiter kommen und dann bessere Kontrollrechte des Parlaments für die Geheimdienste erwirken können, ist er überzeugt. Strolz befürchtet jedoch, dass die SPÖ nicht alle Jahre unter rot-schwarzer Regentschaft durchleuchtet haben will – weil es angesichts sich verselbstständigt habender Spitzenbeamter und Kabinettsmitarbeiter im Innenamt wohl "einen Nichtangriffspakt" zwischen den Exkoalitionären gegeben habe, wie er argwöhnt.

Pilz allzeit bereit

Aufseiten der Liste Pilz ist es noch nicht sicher, wer U-Ausschuss-Mitglied wird – am liebsten würde der Parteigründer selbst als Abgeordneter die Untersuchung übernehmen, aber das hänge auch davon ab, ob die Staatsanwaltschaft Innsbruck das Verfahren wegen sexueller Belästigung gegen ihn abgeschlossen habe, so Peter Pilz. Andernfalls werde er im U-Ausschuss aber freilich als Mitarbeiter von Mandatarin Alma Zadić fungieren.

Er sei jedenfalls "überzeugt, dass hier der Rechtsstaat ordentlich funktioniert", sagte Pilz bei seiner ersten Pressekonferenz seit seinem Rückzug wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung im vergangenen Herbst. Nachsatz: "Wenn die Justiz glaubt, durch Liegenlassen des Verfahrens mich daran hindern zu können, dass ich meiner Arbeit nachkomme: Das spielt's nicht!"

Auf der Pressekonferenz zitierte Pilz aus den Ermittlungen der Staatsanwälte gegen fünf Beschuldigte aus dem BVT. Laut Pilz habe das derzeitige Verfahren zwei "Vorläufer", unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Ihren Ursprung habe die BVT-Affäre bereits in der ersten schwarz-blauen Regierung, meint er.

Der Ex-Grüne vermutet, dass bei den Hausdurchsuchungen "möglicherweise in überschießendem Maße Beweismaterial mitgenommen" worden sei – etwa 141 CDs mit der Beschriftung "Cops Teens". Zudem hält er den Einsatz der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität für "absolut unüblich". Normalerweise werden Kräfte aus den Bundesländern eingesetzt, wenn man undichte Stellen befürchte.

Ermittlungen gegen Exkabinettschef

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft soll laut Pilz auch gegen den einstigen Kabinettschef im Innenministerium, Michael Kloibmüller, ermitteln – eine Bestätigung seitens der Behörde gab es am Dienstag nicht, wohl aber eine vom Justizministerium. Da nur eine Anfangsverdachtslage bestehe, werde dieser allerdings als Verdächtigter und nicht als Beschuldigter geführt, betonte Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek.

Das Verfahren gegen Kloibmüller und weitere Personen soll bereits 2017 von der Staatsanwaltschaft Wien eingeleitet und mit dem laufenden der Korruptionsstaatsanwaltschaft zur BVT-Affäre zusammengelegt worden sein, wie Pilz erklärte. Kloibmüller wusste bisher nichts von Ermittlungen, er sagte am Dienstag: "Darüber habe ich keine Kenntnis."

Bald zwei Ausschüsse im Parlament

Im Parlament dürften also schon bald zwei U-Ausschüsse arbeiten – der zweite soll nämlich auf Initiative der Neos erneut den Komplex um die Eurofighter betreffen. Dieses Gremium soll noch vor dem Sommer die Unterlagen bekommen, aber erst im Herbst Zeugen befragen, wie Strolz erklärte.

ÖVP und FPÖ übten zwar Kritik am SPÖ-Vorhaben, einen BVT-U-Ausschuss einzusetzen ("entbehrlich"), zugleich stellten die Regierungsparteien aber deren Wohlwollen gegenüber einem dritten Eurofighter-U-Ausschuss in Aussicht.

Im ORF-"Report" sprach sich Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache jedoch für "restlose Aufklärung" aus und meinte: "Ich habe kein Problem mit einem U-Ausschuss." Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) zeigte sich am Mittwoch vor dem Ministerrat gar erfreut.

"Ich sehe den Untersuchungsausschuss sehr positiv", sagte Hofer, der darauf verwies, als Dritter Nationalratspräsident in der Vergangenheit ja bereits selbst U-Ausschüsse geleitet zu haben. Ein Problem sah der FPÖ-Regierungskoordinator vor Beginn der Ministerratssitzung am Mittwoch darin, dass sich viele Auskunftspersonen ihrer Aussage entschlagen könnten. Hier werde es darum gehen, die richtigen Fragen zu stellen und die richtigen Zeugen zu laden, meinte er. "Aber insgesamt sehe ich das sehr positiv, weil ein Untersuchungsausschuss immer dafür sorgt, dass es Aufklärung gibt."

(Maria Sterkl, Markus Sulzbacher, Nina Weißensteiner, APA, 20.3.2018)