Die Steinkoralle Lophelia pertusa gehört zu den wichtigsten Riff-Bauern in der Tiefsee.
Foto: Tomas Lundälv

Bremen – Anders als tropische Korallen, die in flachen, lichtdurchfluteten Gewässern leben, findet man Kaltwasserkorallen in dunklen Tiefen von mehreren hundert bis tausend Metern. Mehr als die Hälfte der heutigen Korallenarten existieren in völliger Dunkelheit in der Tiefsee, berichtet das Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen (MARUM).

Langzeit-Bauprojekte

Auch diese Korallen bauen im Lauf von Jahrtausenden oder Jahrmillionen Riffe auf – das weltweit größte erstreckt sich entlang der Mauretanischen Küste und erreicht eine Länge von etwa 400 Kilometern und an den "Gipfeln" etwa 100 Meter Höhe. "Die Größe der Hügel und die Länge dieser Strukturen ist wirklich speziell. Im Grunde genommen könnte man hier tatsächlich von einem Kaltwasserkorallen-Gebirge unter Wasser sprechen", sagt MARUM-Forscherin Claudia Wienberg. "So etwas gibt es nirgendwo sonst in den Weltmeeren."

Wienberg war Teil eines internationalen Teams, das an Bord des Forschungsschiffs Maria S. Merian dieses Gebiet bereiste und Proben aus verschiedenen Meerestiefen entnahm, um mehr über die Entwicklung der Kaltwasserkorallen zu erfahren. In einer Studie, die im Wissenschaftsjournal "Quaternary Science Reviews" veröffentlicht wurde, stellten die Forscher nun ihre Ergebnisse vor.

Wachstum und Rückzug

Die Proben gaben Aufschluss darüber, wie sich die Riffe vor Mauretanien in den vergangenen 120.000 Jahren entwickelten. So muss es in der Vergangenheit immer wieder Phasen gegeben haben, in denen die Wachstumsraten Spitzenwerte von 16 Metern pro 1.000 Jahre erreichten. So "schnell" wächst nicht einmal das derzeit größte Kaltwasserkorallen-Riff vor Norwegen.

Vor fast 11.000 Jahren stagnierte das Wachstum der mauretanischen Korallenhügel dann allerdings. Zu dieser Zeit sind die Korallen wahrscheinlich gänzlich von den Hügeln verschwunden. Erst heute tauchen dort wieder vereinzelt lebende Kaltwasserkorallen auf.

Auch solche kalten Riffe bieten zahlreichen anderen Tierarten eine Heimat.
Foto: Tomas Lundälv

Das Wachstum der Korallen hängt laut den Forschern von verschiedenen Umweltbedingungen ab – etwa Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, Nahrungsangebot und das Vorhandensein günstiger Strömungen, die Nahrung zu den fest verankerten Kaltwasserkorallen transportieren. Von allen Einflüssen machten die Forscher den niedrigen Sauerstoffgehalt von etwa einem Milliliter Sauerstoff pro Liter Wasser als kritischen Faktor aus.

"Das ist extrem wenig. Ursprünglich wurde angenommen, dass bei 2,7 Milliliter pro Liter die unterste Grenze für Kaltwasserkorallen liegt, bei der sie zwar überleben, aber keine Riffe mehr bauen können", so Wienberg. "Die vereinzelten Kaltwasserkorallen auf den Hügeln zeigen zwar, dass sie zumindest zeitweise sehr geringe Sauerstoffgehalte überleben können, aber gut geht es ihnen nicht."

Schritt zurück

Die Hochphasen der mauretanischen Kaltwasserkorallen, in denen die Hügel in die Höhe wuchsen, fielen mit Zeiten zusammen, in denen mit Sauerstoff angereicherte Wassermassen aus dem Norden in das Gebiet strömten. Wurden die Kaltwasserkorallen von sauerstoffarmen Wassermassen aus dem Süden umströmt, so wuchsen die Hügel nicht oder nur mehr sehr langsam. Das jeweils vorherrschende Klima zeigte also auch in diesen Tiefen Auswirkungen.

Das bedeutet, dass dem Riff erneut eine Phase des Rückzugs bevorstehen dürfte, denn die Korallen werden inzwischen wieder verstärkt von sauerstoffarmen Wassermassen aus dem Süden umströmt. "Laut wissenschaftlicher Prognosen werden sich die Zonen mit geringem Sauerstoffgehalt in den Weltmeeren weiter ausdehnen", sagt Wienberg. Kaltwasserkorallen hätten zwar eine hohe Toleranz, doch würden selbst sie unter verstärkten Stress gesetzt. (red, 3. 4. 2018)