Bei der Bilanz der Regierungsarbeit könnte man meinen, die Gläser seien eher halbleer als halbvoll.

Foto: Robert Newald

Die neue Bundesregierung, die mit dem Anspruch angetreten ist, neu zu regieren, löst diesen auch ein, allerdings auch in Vorgehensweisen, die zumindest eine gewisse Ambivalenz erzeugen müssen. Es scheint, dass sie sich mit den bisherigen durchaus reichhaltigen Gepflogenheiten, in den öffentlichen Sektor machtbewusst einzugreifen, nicht begnügt.

Die Vorgänge um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie in Zusammenhang mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) legen es nahe, eine Handreichung zur Beschädigung öffentlicher Einrichtungen zu erstellen. Diese ist durchaus allgemein zu gebrauchen. In Klammer gesetzt sind aktuelle Bezüge eingefügt.

· Erstens Wenn sich jemand kritisch äußert (über Einsparungen bei Geflüchteten, so des Integrationsjahrs) und als Überzeugungstäter einzustufen ist (AMS-Chef Kopf: Loyalität endet für mich da, wo der Unsinn anfängt), ist es dringend geboten, das zu sanktionieren, gilt es doch auch, allen anderen Führungskräften im öffentlichen Sektor klarzumachen, dass Störungen der Message-Control nicht hingenommen werden.

· Zweitens Sollte die betroffene Organisation unangenehmerweise internationales Renommee genießen (OECD-Experte Prinz: Das AMS wird international als eines der effektivsten und am besten geführten Arbeitsmarktservices gesehen), lasse man sich dadurch nicht beirren, besteht doch hierzulande mehr als ausreichend nationale Selbstversunkenheit.

· Drittens Wenn jemand gutes Management betreibt, also Problemfelder genau untersuchen lässt (Beauftragung eines Revisionsberichts zu Erfahrungen mit Asylberechtigten), liefert das vor allem dann Munition, wenn man Einzelfälle generalisiert und ausformulierte positive Befunde (in Wien gibt es diese Probleme nicht sonderlich) verschweigt.

· Viertens Das hat auch den Vorteil, dass eine bereits erzeugte Stimmung (möglichst wenig Geld für Geflüchtete) weiter befeuert wird.

· Fünftens Man nütze solch eine Gelegenheit, um die Verantwortlichkeit für ein komplexes Politikfeld, für das man selbst bis vor kurzem zuständig war (Integration), einer einzelnen Organisation umzuhängen.

· Sechstens Besonders wirksam ist es, wenn man vor einer gründlichen, repräsentativen Analyse oder Gesprächen mit den verantwortlichen Führungskräften an die Öffentlichkeit geht.

· Siebentens Der Boulevard sorgt dann schon für Formulierungen ("Bankrotterklärung", "zum Rapport"), die das Abschreckungspotenzial für potenzielle andere Überzeugungstäter erhöht.

· Achtens Wenn man jemand loshaben will (dessen Weiterbestellungsdekret bereits vom Bundespräsidenten unterschrieben wurde), ist eine Frischzellenkur für bereits längere Zeit im Raum stehende strafrechtliche Vorwürfe eine vorteilhafte Option.

· Neuntens Man schöpfe alle Möglichkeiten aus, Handlungsdruck bei den Justizbehörden aufzubauen. Anonyme Schriftstücke erfülle man mit Gewichtigkeit durch persönliches Auftreten des Generalsekretärs (des Innenministeriums bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) und Präsentieren von Zeugen, die man teilweise, man will auf Nummer sicher gehen, durch einen Kabinettsmitarbeiter begleiten lässt.

· Zehntens Gut ist es auch, wenn man zur Exekution von Hausdurchsuchungen eine Einheit mit einem Leiter anbieten kann, der nicht nur das richtige Parteibuch hat, sondern auch durch seine Aktivitäten auf Facebook bereits bewiesen hat, von echtem Schrot und Korn zu sein.

· Elftens Wenn die Hausdurchsuchungen auf die Betroffenen maximale Wirkung haben (Protokoll: Die Beschuldigten hätten "sehr emotional reagiert"), sehe man dies als Teilerfolg an, da man eine Ausstrahlung auf das Amt insgesamt erhoffen kann. Von diesem hat man in Zukunft wohl nicht mehr viel zu befürchten.

· Zwölftens Falls, wenn sich der entstandene Pulverdampf verzieht, bei der Justiz Nachdenklichkeit einkehrt (der Generalsekretär dieses Ressorts: Im Rückblick hätte ich sicher nach Methoden gesucht, die dieses Aufsehen vermieden hätten), schmälert dies die Erfolgsbilanz nur geringfügig. Immerhin hat die zuständige Beamtin (für den zunehmenden Rechtsextremismus) einen so ordentlichen Dämpfer bekommen, wie dies bei einer Zeugin nur möglich ist. Auch hier halte man Sichtweisen und Reaktionen anderer Staaten für unbeachtlich.

· Dreizehntens Ganz allgemein: Man überlasse nichts dem Zufall, bemühe sich aber, möglichst alles als zufällig darzustellen.

· Vierzehntens Hier besteht allerdings ein Lernertrag für künftige Aktionen: Eine zu große Aneinanderreihung von Zufällen ist auch bei höchster Professionalität nur schwer zu kommunizieren. Man sollte sich damit begnügen, dass man alle Menschen manchmal und etliche Menschen immer zum Narren halten kann. Dies gilt leider Gottes auch für den Umgang der Politik mit der Verwaltung und öffentlichen Organisationen. (Wolfgang Gratz, 4.4.2018)