ÖVP, SPÖ und FPÖ in Niederösterreich haben sich geeinigt – das Papier wird aber nicht veröffentlicht. Das Wichtigste präsentiere man ohnehin auf Pressekonferenzen, heißt es in St. Pölten.

Collage: Standard

St. Pölten – Die Vorarlberger tun es, die Tiroler auch, Oberösterreich, Kärnten, die Steiermark, das Burgenland, Salzburg und Wien ebenso: Tritt eine Landesregierung ihre Amtszeit an, macht sie ihren Arbeitsplan für die Regierungsperiode öffentlich. Schließlich sollen die Bürger wissen, was die Politik vorhat – und den Erfolg auch daran messen können, ob gesteckte Ziele erreicht wurden.

In Niederösterreich läuft das anders. Die ÖVP hat in der proporzmäßig gebildeten Landesregierung jeweils eigene Arbeitsübereinkommen mit SPÖ und FPÖ getroffen – darüber, welche politischen Projekte man umzusetzen gedenkt und wie die Zusammenarbeit in der Landesregierung organisiert wird. Die Bevölkerung darf aber nicht erfahren, was darin steht – "Profil" berichtete darüber. Das Forum Informationsfreiheit (FOI) und die Opposition kritisieren die Geheimniskrämerei der Landesregierung.

Offensichtlich wurde sie, als die Landes-SPÖ scheinbar einen Koalitionsbruch verkündete: Zwei Beschlüssen der Landesregierung für eine positive Stellungnahme zu Gesetzesänderungen der türkis-blauen Bundesregierung würden die beiden roten Landesräte nicht zustimmen. Üblicherweise vereinbaren Regierungspartner allerdings, nicht gegeneinander abzustimmen.

SPÖ gegen Stillschweigen

Im Arbeitsübereinkommen zwischen Niederösterreichs ÖVP und SPÖ ist hier allerdings eine Ausnahme vorgesehen – das erklärt der schwarze Klubobmann Klaus Schneeberger auf STANDARD-Nachfrage: "In den Punkten, die bundespolitische Relevanz haben, ist die SPÖ Niederösterreich Opposition und Anhängsel ihrer Bundespartei. Daher sind diese Punkte nicht im Arbeitsübereinkommen enthalten." Die Regelung war bis dahin unbekannt, sie steht im geheimen Übereinkommen.

Der SPÖ geht die Geheimniskrämerei offenbar gegen den Strich, Klubchef Reinhard Hundsmüller kündigt eine sanfte Umgehung der Verschwiegenheitsklausel an: Die Sozialdemokraten wollen "sukzessive die Themen, in denen Übereinstimmungen erzielt wurden, bearbeiten und publizieren". Dadurch würde "am Ende des Tages sehr genau lesbar sein, in welchen Bereichen Konsens und Dissens besteht".

Auch der Vertrag zwischen ÖVP und FPÖ wurde bei Abschluss zur Verschlusssache erklärt, bestätigt der blaue Landesrat Gottfried Waldhäusl: "Das hat in Wirklichkeit keinen bestimmten Grund gehabt", sagt er zum STANDARD, es handle sich auch nur um ein Arbeitspapier, keinen Koalitionspakt. Die Schwerpunkte der Regierungsarbeit wurden ja bei einer Pressekonferenz bekanntgegeben.

NGO: Kontrolle erschwert

Mathias Huter, Generalsekretär des Forums Informationsfreiheit, will es dennoch wissen: Er hat ein Auskunftsbegehren an die niederösterreichische Landesregierung gestellt, um den Wortlaut der Regierungsübereinkommen zu erfragen. "Es ist gängige Praxis in Österreich, hier ein Mindestmaß an Transparenz zu schaffen – das sollte auch für Niederösterreich gelten", sagt Huter.

Demokratische Kontrolle durch Opposition und Bürger werde "massiv erschwert, wenn die Landesregierung ihre Prioritäten nicht öffentlich machen will". Huter erinnert daran, dass die Beschlüsse der Landesregierung bis vor kurzem dem Amtsgeheimnis unterlagen: "Man sieht, was das für Konsequenzen haben kann", etwa die über Jahre geheimgehaltenen Landesförderungen für die Privatstiftung des damaligen Landeshauptmanns Erwin Pröll (ÖVP).

Krismer: "Fünf Jahre harte Arbeit"

Für die grüne Klubobfrau Helga Krismer regiert die Landesregierung "im Gestern": "Geheimrat ist der richtige Begriff statt Landesrat. Fünf Jahre harte Arbeit für die Grünen haben begonnen."

"Weder wir Oppositionsparteien noch die Bürgerinnen und Bürger wissen, was sich diese Landesregierung vorgenommen hat. Es gibt keine verbindlichen Zeitleisten, keine messbaren Ziele, deren Erfüllung wir überprüfen könnten", sagt auch Neos-Chefin Indra Collini, die das geheime Regierungsübereinkommen auch im Landtag kritisierte. Gewählt hat sie die Landesregierung dann dennoch: weil die Besetzung der Proporzregierung ja den Wählerwillen abbildet, wie sie erklärt. (Sebastian Fellner, 12.4.2018)