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Wie man aus der starren und zentral gesteuerten Elektrizitätsversorgung ein selbstständig agierendes Netzwerk machen kann – zu dieser Frage forscht Tara Esterl am Austrian Institute of Technology (AIT). Ein Ziel bei Smart Grids, also intelligenten Stromnetzwerken, ist es, Wind- und Solarenergie mühelos einzuspeisen und immer im richtigen Moment zu den Verbrauchern zu bringen.

Diese Übung ist freilich nicht so leicht, wie sie auf den ersten Blick ausschaut. "Da braucht man schon ein paar ausgefeilte Algorithmen", sagt die 32-jährige Bayerin mit Kärntner Wurzeln. Im Prinzip geht es darum, tausenden Stromverbrauchern gleichzeitig zu vermitteln, dass jetzt gerade zur Mittagszeit Solarstrom im Übermaß verfügbar wäre und man doch jetzt bitte Wärmepumpen oder Warmwasserboiler in Betrieb nehmen oder E-Autos aufladen könnte.

Das Ganze kann sich auch in der Früh um halb vier abspielen, wenn ein Föhn über die Alpen zieht und Windräder auf Hochtouren Strom produzieren. Aber wie bringt man die Verbraucher dazu, ihre Energienachfrage auf das gerade verfügbare Angebot an erneuerbarer Energie anzupassen? Selbstverständlich nicht mit der moralischen Keule. "Wir arbeiten an durchdachten Tarifmodellen mit Wetterprognosen." Das Stromsystem, so Esterl, muss den Verbrauchern automatisch mitteilen können, dass in einigen Stunden Solar- oder Windstrom billig verfügbar wäre. "Wer seine Anlagen, etwa Wärmepumpen, flexibel eingestellt hat, wird dann Energie beziehen, wenn sie billiger ist."

Neue Erfahrungen

Vor kurzem war Esterl, die an der Fachhochschule Kufstein Energiewirtschaft studierte und jetzt an der TU Wien an ihrer Dissertation arbeitet, in Kalifornien. Vom Pacific Northwest National Laboratory (PNNL), einem AIT-Pendant in den USA, hat sie einige neue Erfahrungen mitgebracht: "Das kalifornische Strommarktdesign ist komplexer als in Österreich." Beispielsweise wird Prosumern, also Energieverbrauchern, die auch selbst Strom produzieren, ein komplexes Marktdesign präsentiert, in dem es nicht wie in Österreich einen Preis für jede Viertelstunde gibt, sondern einen Preis für jeden Netzabschnitt ("Node"). Und es gibt interessante Impulse wie etwa den zusätzlichen Anreiz für Prosumer mit Batteriespeicher, Energie automatisch und in der Sekunde an die aktuelle Situation angepasst anzubieten.

Das, sagt Esterl, sei auch die Herausforderung für Stromsysteme der Zukunft. "Man muss mit Volatilität viel besser umgehen lernen." Volatilität, die Messeinheit für den Schwankungsgrad der Preise in bestimmten Situationen, ist an den Börsen Schreckgespenst und Freude für Spekulanten zugleich. Hohe Volatilität heißt, Preise ändern sich rasant, geringe Volatilität heißt, die Marktpreise sind eher stabil.

An den Strombörsen sind Fluktuationen von erneuerbaren Energien ein logischer Einflussfaktor auf die Strompreise. Daher ist die Frage, wie und nach welchen Algorithmen diese volatilen Strompreise an die Wärmepumpen weitergegeben werden, auch alles andere als trivial. (nort, 25.4.2018)