Der Nationalrat beschließt am Donnerstag die ersten beiden Budgets der Regierung Kurz und stellt damit die Weichen in Richtung eines Nulldefizits.

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Wien – Der Nationalrat beschließt am Donnerstag die ersten beiden Budgets der Regierung Kurz und stellt damit die Weichen in Richtung eines Nulldefizits im kommenden Jahr. Davor sind allerdings noch einige Kapitel zu debattieren.

Vor allem die Bereiche Arbeit und Soziales sowie Bildung sorgen traditionell für kontroversielle Diskussionen. Ferner an der Reihe sind noch Gesundheit und Finanzen. Zweites großes Thema ist am Donnerstag die Einsetzung eines neuen Eurofighter-U-Ausschusses. Ob bereits in dieser Plenarwoche auch der von der Opposition getragene BVT-U-Ausschuss kommt, ist vorerst noch offen.

Hartinger will Elga-Daten aus Datengesetz nehmen

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) fordert, dass die Elga-Daten aus dem Forschungsorganisationsgesetz herausgenommen werden. Bei der Budgetdebatte zum Kapitel Gesundheit betonte die Ressortchefin: "Ich kann Ihnen mitteilen, dass es definitiv keine Freigabe gibt."

Hartinger-Klein will sichtlich nicht nur darauf setzen, dass ihr Ressort die Daten für die Forschung nicht freigibt, sondern möchte dies schon im Gesetz, das morgen vom Nationalrat beschlossen werden soll, verhindert wissen. Wie die Justizdaten müssten auch die Elga-Daten im Forschungsorganisationsgesetz ausgeschlossen werden: "Diese sind zu schützen und dazu stehe ich."

Häme im Hohen Haus

Kritik der Opposition in der Debatte kam auch in Sachen AUVA. Hartingers Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) hielt der Ministerin vor, dass mit der Kürzungsvorgabe von 500 Millionen Euro die AUVA ihre Unfallspitäler zusperren müsse. Dass Rendi-Wagner von sechs Spitälern sprach, es aber sieben gibt, brachte ihr dann auch Häme Hartingers ein.

Heftige Kritik von SPÖ und Neos

Das Bildungskapitel wurde wie üblich ideologisch debattiert. Ressortchef Heinz Faßmann (ÖVP) ließ sich davon nicht irritieren, zählt er sich doch zu den Gewinnern der Budgeterstellung. Besonders kritisch mit dem Vorgelegten ging die SPÖ ins Gericht. Ex-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid sah eine "in Zahlen gegossene Retro-Politik" an den Schulen, die auf dem Rücken von Kindern und Lehrern ausgetragen werde. Speziell stört die rote Bildungspolitikerin, dass die Mittel für die Ganztagsschulen durch deren Streckung in Wahrheit halbiert würden. Auch falle der Integrationstopf weg.

Letzteres griff Neos-Klubchef Matthias Strolz auf, der einen Zukunftsraub ortete. Konkret warf er der Regierung vor, ein Geschäftsmodell zu haben, das Brände in der Gesellschaft noch größer mache. Dass der Chancenindex zur Bevorzugung von Schulen mit schwierigen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werde, sieht er als Botschaft, die Spaltung der Gesellschaft weiter voranzutreiben: "Weil es sind nicht ihre Kinder und sie pfeifen darauf." Ebenfalls thematisiert wurde von Strolz, dass es jeder McDonald's schaffe, WLAN anzubieten, die Schulen aber nicht.

Auch Liste-Pilz-Bildungssprecherin Stephanie Cox forderte Anstrengungen ein, die nötige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Denn derzeit hätten mehr als 50 Prozent aller Pflichtschulen keinen WLAN-Zugang.

Abrechnungen rund um Deutschförderklassen

Durch die Oppositionsreden zog sich auch die Skepsis gegenüber den geplanten Deutschförderklassen. ÖVP-Mandatar Rudolf Taschner replizierte darauf, dass die Betroffenen, nämlich die Lehrer, dankbar für diese Maßnahme seien. FPÖ-Bildungssprecher Wendelin Mölzer sah die Kritiker der Klassen im "Elfenbeinturm" sitzen. Es gebe "sehr viel Zustimmung im System".

Mölzer rechnete insgesamt mit der Bildungspolitik der SPÖ ab und betonte, man müsse jetzt den AHS angesichts deren hoher Anzahl an Schülern mehr Geld geben, "weil die NMS so schlecht ist". Auch bei der Tagesbetreuung nehme man weiterhin Geld in die Hand, dies aber unter der Prämisse der Wahlfreiheit.

Minister Faßmann zeigte sich mit seinem Doppelbudget durchaus zufrieden, bringe es seinem Ressort doch eine Steigerung von 670 Millionen. Die zur Verfügung gestellten Mittel erlaubten Schwerpunktsetzungen und eine sehr gute Weiterentwicklung des Bildungssystems. Es gebe ausreichend Ressourcen für Deutschförderklassen, und es werde auch ausreichend Geld für sprachliche Frühförderung vorhanden sein. Was es mit ihm, Faßmann, nicht geben werde, sei eine Erhöhung der Lehrverpflichtung oder eine Anhebung der Klassenschülerhöchstzahl.

Ruhigere Uni-Debatte

Weniger kontroversiell lief die Debatte über die Unis, wobei die SPÖ für die Vorgängerregierung reklamierte, dass den Hochschulen nun mehr Mittel zur Verfügung stehen. Wissenschaftssprecherin Andreas Kuntzl hatte trotzdem Grund zur Klage, nämlich jenen, dass durch die Studienplatzbewirtschaftung 20.000 Menschen von einem Studium abgehalten würden. FPÖ-Mandatar Axel Kassegger replizierte, dass mit dieser Maßnahme Planbarkeit für die Studierenden, aber auch für die Universitäten geschaffen werde. Ähnlich argumentierte Faßmann.

Kritisch widmeten sich Liste Pilz und Neos dem Forschungsbereich. Pilz-Mandatar Alfred Noll sieht die "Unterdotierung" des FWF als eminente Niederlage der Regierung. Neos-Abgeordnete Claudia Gamon beantragte eine Erhöhung der Mittel für den Fonds. Faßmann sah hingegen gesichert, dass die Offensivphase für den FWF weitergehe. ÖVP-Mandatar Nico Marchetti wollte von Kritik rein gar nichts hören. Es sei das größte Wissenschaftsbudget aller Zeiten. Der Opposition stehe es frei zu entscheiden, ob sie bei dem Beschluss nur dabei sein oder Teil davon sein wolle.

Ringen um U-Ausschuss zum Verfassungsschutz

Stimmt die Koalition einem U-Ausschuss zum Verfassungsschutz zu, könnte am Donnerstagabend dazu der Geschäftsordnungsausschuss tagen, womit am Freitag vom Plenum bereits der Weg für einen zweiten Ausschuss freigemacht würde, der dann parallel zum Eurofighter-Ausschuss tagen würde.

Um den BVT-Ausschuss gibt es schon seit gestern ein Tauziehen, da sich die ÖVP auf die Position zurückzieht, das gestern erst eingelangte Verlangen noch gründlich überprüfen zu wollen. Letztstand ist, dass die Volkspartei wohl der Ausschusssitzung zustimmt und voraussichtlich auch dem Oppositionsantrag – und damit könnte das Thema am Freitag auf die reguläre Tagesordnung des Plenums kommen.

Mit der Behandlung des Berichts des Geschäftsordnungsausschusses gilt der U-Ausschuss dann als eingesetzt. Bereits heute wird am Ende der laufenden Plenarsitzung der neue Eurofighter-U-Ausschuss diesem Prozedere unterzogen. Direkt im Anschluss könnte der Geschäftsordnungsausschuss tagen.

Scharfe Auseinandersetzung zum Sozialbudget

Zum Teil scharfe Auseinandersetzungen vor allem zwischen den Regierungsparteien und der SPÖ gab es am Donnerstag im Nationalrat wegen des Sozialbudgets – und zwar nach dem bekannten Muster: Die SPÖ hielt der Regierung vor, bei den Menschen und nicht im System zu sparen – und ÖVP sowie vor allem die FPÖ antworteten mit Kritik, die SPÖ stehe für Politik nach dem Gießkannenprinzip.

Sozial- und Arbeitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) verfügt über den größten Budgetposten – aber in ihrem Bereich fallen einige Kürzungen an: Die Arbeitsmarktmittel werden zum Beispiel ebenso zusammengestrichen wie jene für den Konsumentenschutz. Mit den Worten "Sie sparen nicht beim System, Sie sparen eindeutig bei den Menschen in diesem Land" eröffnete SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch den Schlagabtausch – und hielt Schwarz-Blau eine "ungleiche Verteilung" vor. Mit dem Familienbonus werde "die Gesellschaft schon bei den Kindern" gespalten. Im Auge habe die Regierung nur "die Schlagzeile Nulldefizit" – und deshalb seien etwa für Länder und Gemeinden nicht genügend Mittel für die Abschaffung des Pflegeregresses vorgesehen. Umgekehrt werde Unternehmen ein "Freibrief" für die Nichtanmeldung von Arbeitskräften ausgestellt.

Lautstark und angriffig

Lautstark und angriffig wie früher kommentierte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch die Sozialpolitik – allerdings nicht mehr die der Regierung, sondern jene frühere der großen Koalition und jene jetzt in Wien. In Wien ufere die Mindestsicherung aus, kritisierte sie – mit Blick auf Asylwerber – das "sozialistische Gießkannenprinzip". Die "kleinen Buben, die in einer Moschee Krieg spielen", sah sie als "Auswuchs" der Förderungspolitik "à la SPÖ" – um dann kurz den schwarz-blauen Paradigmenwechsel zu einer treffsicheren Sozialpolitik für Menschen, die es wirklich brauchen, zu loben.

Angst machte ihre Rede dem – oft als neoliberal gescholtenen – Gerald Loacker von den Neos: "Ich sehe meinen Ruf als ärgster Sozialsprecher dahinschwinden, wenn Kollegin Belakowitsch redet." Empört ist auch er, aber über die Regierung: Das Sozial- und Arbeitsbudget sei "hochgradig peinlich" und stehe im Zeichen von "Schmäh" und "budgetärem Pflanz" (etwa beim Pflegeregressansatz), nur um ein Nulldefizit darstellen zu können. Auch bei der Mindestpension betreibe die Regierung "Schmäh", würden davon doch kaum Österreicher profitieren, denn "wir werden sie zum großen Teil nach Osteuropa schicken". "Wer sagt, wir investieren nicht in Arbeitsmarkt, Sozialpolitik und Familien, der hat das Budget nicht verstanden", hielt ÖVP-Klubobmann August Wöginger der Opposition entgegen.

Die Hälfte der budgetierten Einnahmen gehe in diese Bereiche und in die Gesundheit. Die SPÖ kritisierte viele Maßnahmen – Familienbonus oder Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge – nur, weil sie nicht von ihr gekommen seien. Als "schlechtes Gesetz" bezeichnete er jenes – noch von SPÖ und ÖVP beschlossene – zur Abschaffung des Pflegeregresses.

Das empörte Ex-Sozialminister August Stöger (SPÖ): Wöginger habe dieses Gesetz maßgeblich ausverhandelt. Schlecht sei es aber tatsächlich: Denn die SPÖ habe die Finanzierung mit einer Steuer auf große Erbschaften sicherstellen wollen – das aber sei "mit der ÖVP nicht gegangen". Scharf kritisierte Stöger auch die Abschaffung der von ihm auf die Beine gestellten Aktion 20.000 für ältere Langzeitarbeitslose.

Wohl der Bürger klar vor Augen

"Staatlich verordnete Arbeitslosigkeit und staatliche Integrationsverhinderung" bringe das Budget 2018/19, konstatierte Daniela Holzinger-Vogtenhuber (Liste Pilz) – mit Blick auf die Kürzungen beim Arbeitsmarktservice und die Abschaffung des Integrationsjahres. Die Regierung streiche in Zeiten der Hochkonjunktur Mittel genau für jene Menschen, die dringend Unterstützung bräuchten – Junge mit geringerer Qualifikation, ältere Arbeitslose und Flüchtlinge.

Sozialministerin Hartinger-Klein wollte die Oppositionskritik nicht auf sich sitzen lassen: "Ich habe bei allem, was ich als Ministerin vornehme, das Wohl der Bürger klar vor Augen", sagte sie und versicherte, dass es "zu keiner Verschlechterung der Leistungen kommen wird für Menschen, die dafür einzahlen über die Steuern und die Sozialversicherung". Aber es gelte, durch Effizienzverbesserung zusätzliche Mittel freizumachen. Für Arbeitslose gebe es 2018/19 pro Kopf mehr Mittel als bisher – auch weil die aus ihrer Sicht "zutiefst ungerechte" Aktion 20.000 (von der wenige Menschen übermäßig profitiert hätten) gestrichen wurde.

Seit 9 Uhr können Sie die Debatte hier im Livestream verfolgen. (APA, red, 19.4.2018)