Wien – Ziehen afrikanische Buntbarsche der Spezies Neolamprologous caudopunctatus länger keine Kinder auf, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie späteren Nachwuchs verspeisen. Das berichtet ein Team der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmed) Wien im Fachblatt "Animal Behaviour". Zur Überraschung der Wissenschafter waren es in allen Experimenten vor allem Weibchen, die zum Kannibalismus neigten.

Bei diesen Buntbarschen engagieren sich sowohl weibliche als auch männliche Fische in der Brutpflege. Darüber hinaus helfen die Tiere auch bei der Aufzucht von fremdem Nachwuchs. Trotz dieser sehr kooperativen Verhaltenszüge gibt es unter den Fischen Kannibalismus. Das Forschungsteam um Erstautorin Filipa Cunha-Saraiva vom Konrad-Lorenz-Institutes für Vergleichende Verhaltensforschung ging nun den Gründen für diese seltsamen Verhaltensunterschiede auf den Grund.

Situationselastische Auslegung von Elternschaft

Im Tierreich habe Kannibalismus durchaus einen rationalen Hintergrund: Denn auch bei Artgenossen bzw. dem eigenen Nachwuchs handelt es sich im Endeffekt um eine potenzielle energiereiche Nahrungsquelle, so die Forscher. Der Verzehr von Artgenossen diene etwa auch zum Durchsetzen von territorialen Ansprüchen oder stelle eine Strategie zur Erhöhung des eigenen Fortpflanzungserfolgs dar. Häufiger sei das Fressen fremder Nachkommen, mitunter richte sich dieses Verhalten aber auch gegen den eigenen Nachwuchs. Relativ gut untersucht wurde Kannibalismus bisher bei Männchen oder wenn Väter an der Brutpflege beteiligt sind. Darüber, wie ausgeprägt dieses Verhalten bei gemeinsam brutpflegenden Tierpärchen ist, sei hingegen noch wenig bekannt.

Für die Buntbarsche gilt: "Ist die Brutpflege zu aufwendig, etwa durch Nahrungsknappheit oder negative Umwelteinflüsse, oder ergibt sich kein Vorteil aus einer Nachkommenschaft, dann können sie sich so schnell und effizient von den Brutpflegepflichten entbinden", so Cunha-Saraiva. In der Studie suchten die Forscher nun gewissermaßen nach dem "Schalter" zwischen Brutpflege und Kannibalismus.

Zum Elternsein muss man in Übung bleiben

Als wichtiger Faktor erwies sich erwartungsgemäß die Regelmäßigkeit der Brutpflege. Kümmerten sich die Paare regelmäßig um eigenen oder fremden Nachwuchs, kam Kannibalismus nicht vor. Hatten sie jedoch über eine längere Zeitspanne keine Eier zu schützen und die Wissenschafter teilten ihnen dann wieder ein Gelege zu, kam es zu spontanem Kannibalismus. Das könnte mit einem veränderten Hormonhaushalt durch die lange Eltern-Absenz zusammenhängen.

Zur Überraschung der Wissenschafter waren es vor allem die Weibchen, die häufiger von Brutpflegerinnen zu Kannibalinnen wurden. Stress durch Umwelteinflüsse oder unzureichendes Nahrungsangebot beförderten diesen ungewöhnlichen Rollenwechsel. "Bei den von uns untersuchten Buntbarschen gingen die Weibchen sogar so weit, die Männchen, mit denen sie sich üblicherweise bei der Nachwuchspflege abwechseln, nicht einmal mehr in die Nähe der Bruthöhle zu lassen. Damit konnten sie jederzeit selbst bestimmen, ob sie ihr Mutterdasein abbrechen oder fortsetzen", so Cunha-Saraiva. (APA, 23. 4. 2018)