UN-Blauhelme bei der Ankunft am Mittwoch, 12. Juni 2013, auf dem Flughafen in Wien-Schwechat: Zur Einsatzvorbereitung heimischer UN-Soldaten soll im Frühjahr 2013, kurz vor dem Abzug, das umstrittene Golan-Video im Schulungsraum in Götzendorf gezeigt worden sein.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wien – Die umstrittene Videoaufzeichnung österreichischer UN-Blauhelme rund um die Schießerei auf dem Golan im September 2012, bei der neun syrische Geheimpolizisten in einen tödlichen Hinterhalt gerieten, soll zur Einsatzvorbereitung für das letzte heimische UN-Kontingent im Schulungsraum in Götzendorf gezeigt worden sein – das berichtet die Kleine Zeitung unter Berufung auf einen Ex-Soldaten, der im Bundesheerzentrum für Internationale Einsätze in Niederösterreich für die Beobachtermission Undof in der syrisch-israelischen Grenzzone im Frühjahr 2013, also kurz vor der Rückkehr der österreichischen UN-Truppe, ausgebildet wurde.

Nur wenig später, im Juni 2013, verkündete die rot-schwarze Regierung – allen voran Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) – nach knapp vierzig Jahren als Truppensteller den Abzug des heimischen Kontingents vom Golan. Auf die STANDARD-Frage, ob er davon gewusst habe, dass das Golan-Video womöglich zur Einsatzvorbereitung verwendet wurde, sagte Klug im Interview: "Nein. Auch davon habe ich erst jetzt aus den Medien erfahren."

Sein Vorgänger Norbert Darabos (ebenfalls SPÖ) will wiederum von der Schießerei am Golan selbst "aus dem Teletext" erfahren haben. Auf STANDARD-Anfrage erklärte er: Selbst wenn er damals von dem Vorfall gewusst hätte, hätte er nicht die gesamte heimische UN-Truppe abgezogen, sondern zunächst nur die von dem Hinterhalt betroffenen Soldaten "nach Österreich zurückbeordert" – um die Causa aufzuklären.

Heftige Debatte

Im Verteidigungsressort wiederum erklärte man der Kleinen Zeitung, dass das Video im Ministerium nicht bekannt gewesen sei – eine allfällige Verwendung zu Schulungszwecken werde aber auch Thema in der militärischen Untersuchungskommission sein.

Der Soldat, der namentlich nicht genannt werden will, gab an: "Das Video wurde jedem Soldaten des letzten Kontingents im Schulungsraum auf einem Laptop gezeigt und danach gemeinsam heftig debattiert." Das derart "geschulte" Kontingent, bestehend aus hundert Soldaten, sei nach dem angekündigten Rückzug von der UN-Mission jedoch nicht mehr zum Einsatz gekommen.

"Nicht einschreiten!"

Der Soldat berichtete der Zeitung auch über den angeblichen Kommunikationsweg des Zwischenfalls, der in der Einsatzvorbereitung besprochen worden sei. Nach seinen Aussagen sei thematisiert worden, dass der Kommandant der Schmugglergruppe der UN-Truppe einen Hinweis gegeben habe, bevor sie den Hinterhalt für die syrische Geheimpolizei gelegt hätten. "Commander, No Go", soll er gewarnt haben. Ein Einschreiten sei aber ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, wäre den österreichischen Soldaten angeblich im Training "eingetrichtert" worden. "Das Kommando war klar und hieß: Nicht einschreiten!", wird der Ex-Soldat zitiert. "Der Befehl kam von ganz oben."

Der österreichische Major meldete den Angaben zufolge als Oberkommandierender und Abschnittsbeauftragter die Ereignisse dem indischen UN-General als Oberkommandierendem der Mission. Insgesamt habe das Bundesheer aber in diesem Fall das Kontingent gut auf den Golan-Einsatz vorbereitet, sagte der Steirer – obwohl es in anderen Fällen, zum Beispiel in der Grundausbildung, "eklatante Mängel" gegeben habe.

Kunasek reagiert auf Berichte

Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) will angesichts der jüngsten Berichte über das Golan-Video nun den Auftrag für die Untersuchungskommission erweitern: Er möchte dort eruieren lassen, welcher Personenkreis der verantwortlichen Kommandanten zu welchem Zeitpunkt von dem Video Kenntnis hatte, erklärte er am Freitag per OTS-Aussendung.

Dazu betonte der Minister: "Ich stehe weiterhin hinter jenen Soldaten, die nach bestem Wissen und Gewissen einen schwierigen Auftrag zu erfüllen hatten. Ich möchte aber lückenlos aufgeklärt haben, wie sich die Befehlslage darstellte und welchen Kenntnisstand die Verantwortungsträger zu den Vorfällen hatten!"

Auch laut Generalstabschef Othmar Commenda handelte es sich bei dem Golan-Video "um kein offizielles Ausbildungsvideo des Verteidigungsministeriums". Commenda wehrte sich auch via Twitter gegen Äußerungen des Militärexperten Gerald Karner in der Frage. Karner habe das Bundesheer vor zwölf Jahren verlassen. Er sei also weder Experte noch Fachmann. Was ihm aber im konkreten Fall völlig fehle, "ist die Einsatzerfahrung aus einem Auslandseinsatz", so Commenda. Karner hatte auch im STANDARD erklärt, die österreichischen Blauhelme hätten die syrischen Polizisten auf jeden Fall warnen müssen. (Nina Weißensteiner, 4.5.2018)