Viel Neues hatten die Proteste am Wochenende in Moskau eigentlich nicht zu bieten. Die Forderungen der Opposition nach Abwählbarkeit der Obrigkeit, freiem Zugang zu den Medien oder realer Korruptionsbekämpfung sind ebenso bekannt wie ihre zahlenmäßige Schwäche. Der Großteil der Russen ist – auch dank der ständigen Hofberichterstattung des staatlichen Fernsehens (anderes gibt es praktisch nicht mehr) – mit dem Kurs des Kremlchefs insgesamt zufrieden oder politisch apathisch. Für Abwechslung bei den Protesten sorgte daher ausgerechnet der Kreml: indem er sie von Kosaken niederpeitschen ließ.

Ein überaus gefährlicher Präzedenzfall: Das Gewaltmonopol in jedem Staat sollte bei den Sicherheitsorganen liegen und nicht an irgendwelche kostümierten Hilfstruppen national-konservativer, ja monarchistischer Gesinnung übertragen werden, die ihre Aggressionen ausleben wollen. Nichts anderes aber sind die heutigen Kosakenverbände in Russland. Mit der Freiheitsliebe ihrer Vorfahren haben sie nichts am Hut. Es scheint fast, als ob jemand im Kreml der Opposition helfen wolle, das von ihr gezeichnete Bild Putins als autoritärer Zar noch zu schärfen.

Das bewusste Aufeinanderhetzen von Konservativen und Liberalen birgt zudem das Risiko zunehmender Konfrontation innerhalb einer ohnehin gespaltenen Gesellschaft – bis hin zum Bürgerkrieg. Russland hat das bereits hinter sich. Der Kreml sollte aus der Geschichte lernen. (André Ballin, 6.5.2018)