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Aus Protest gegen den Community Code of Conduct und die geplante Vermittlung eines Praktikanten hat Rafael Avila de Espindola das LLVM-Projekt verlassen.

Foto: Reuters

LLVM ist ein Open-Source-Projekt, bei dem es um die Entwicklung von Tools und Technologien geht, die das Programmieren in C-Programmiersprachen erleichtern sollen. Der breiten Öffentlichkeit war es bislang kaum bekannt, doch das könnte sich nun ändern.

Allerdings hat dieser Umstand wenig mit den beachtlichen programmiertechnischen Leistungen des Teams zu tun. Der Entwickler Rafael Avila de Espindola, einer der wichtigsten Beitragenden, hat seinen Ausstieg in einer öffentlichen Mailingliste bekanntgegeben. Sein Problem: Richtlinien, die von den Teilnehmern Freundlichkeit, Respekt und Toleranz einfordern, aber seiner Ansicht nach zu weit gehen.

Gegen das Regelwerk

In seiner E-Mail erzählt er die Geschichte seiner gut zwölfjährigen Mitarbeit an dem Projekt, die in den letzten fünf Jahren praktisch Vollzeit erfolgte. Doch in den vergangenen Jahren habe er das Gefühl gehabt, dass das Projekt immer größer und veränderungsresistenter geworden sei. Das allein sei aber nicht genug Grund gewesen zu gehen.

Auch die Diskussion über einen Lizenzwechsel habe ihn frustriert, doch der letzte Tropfen seien schließlich zwei andere Dinge gewesen. Zum einen stimmt er nicht damit überein, dass in den neuen Gemeinschaftsrichtlinien des Projekts zwar steht, dass man offen für Menschen "aller politischen Ansichten" sei, gleichzeitig aber bestimmte Ansichten durch andere Regeln faktisch ausgeschlossen würden. Weil diese Regeln jedoch akzeptiert werden müssten, um an den Konferenzen von LLVM teilzunehmen, könne er das nicht mehr tun.

Kritik an geplanter Praktikanten-Vermittlung

Sauer stößt ihm auch auf, dass LLVM mit der Organisation Outreachy kooperiert. Diese versucht Frauen, Mitgliedern der LGBTQ-Gemeinde, Afroamerikanern, Hispanics sowie Nachkommen amerikanischer Ureinwohner bezahlte Praktika zu vermitteln. Weil das im Gegenzug somit weiße Männer und Asiaten ausschließt, halte er die Vorgehensweise für rassistisch. Daher verlasse er LLVM auch, um sich davon zu distanzieren.

Allerdings: Weiße Männer und Asiaten sind laut verschiedenen Diversity-Berichten die am besten repräsentierten Gruppen im Silicon Valley. Zudem hat Outreachy letztlich nie einen Praktikanten an LLVM vermittelt, sondern bislang nur Gespräche mit einigen Verantwortlichen geführt.

LLVM-Präsidentin: Regelwerk ist notwendig

Da LLVM innerhalb der Entwicklergemeinde sehr bekannt ist, hat der Abschied von Avila de Espindola zu einigen Diskussionen geführt. Tanya Lattner, ehemalige Apple-Entwicklerin, Präsidentin der LLVM-Stiftung und Frau des LLVM-Gründers Chris Lattner, reagierte mit einem Tweet auf die Kontroverse. "Wenn ich eine Konferenz mit 500 Leuten organisiere, wäre es naiv zu glauben, dass es keine Richtlinien geben sollte", schrieb sie.

Auch Chris Lattner pflichtete bei. Es sei "an der richtigen Zeit" gewesen, ein Regelwerk als ein Set an Erwartungen zu formulieren, dessen Sanktionsmechanismen man hoffentlich nie aktivieren müsse. Mittlerweile hat er eine längere Stellungnahme verfasst.

Den Abgang von Avila de Espindola bedauerte er und nahm ihn gleichzeitig gegen jene in Schutz, die ihn etwa indirekt mit einem Rassisten gleichsetzten. Gleichzeitig wogte die Debatte auf Reddit in die andere Richtung. Dort wurde von einigen Nutzern in Richtung "Social Justice Warriors" gefeuert. Der Begriff ist eine abwertende Bezeichnung gegenüber Menschen, denen unterstellt wird, anderen ihre linke bis liberale Meinung und Verhaltensweisen aufzwingen zu wollen.

Red Hat und Co implementieren Richtlinien

Allerdings, so berichtet "Business Insider", implementieren immer mehr Projekte Gemeinschaftsrichtlinien, die auch für Treffen und Konferenzen gültig sind. Die Open-Source-Welt hat den Ruf, mitunter ein im Umgang sehr raues Pflaster zu sein. In einer von Github im vergangenen Jahr durchgeführten Umfrage unter 5.000 Entwicklern zufolge gaben 50 Prozent an, schon Zeuge von unfreundlichem Umgang zwischen anderen Personen im Rahmen eines Projekts gewesen zu sein. 18 Prozent erklärten, selbst betroffen gewesen zu sein.

Ein Problem, dem sich selbst Linus Torvalds, Linux-Erfinder und Enfant terrible der Programmierwelt, nicht mehr verschließt. Nachdem er selber aufgrund seines Umgangs mit anderen Entwicklern mehrfach öffentlich kritisiert worden war, hat er einen "Code of Conflict" veröffentlicht. Dieser schreibt fest, dass Entwickler damit rechnen müssen, dass ihre Arbeit kritisiert wird, dies aber in respektvollem Ton zu geschehen habe.

Auch die Open-Source-Firma Red Hat arbeitet an einer Verbesserung des Klimas. Manager gehen etwa auf "Zuhörtour", um sich Sorgen und Kritik von Mitarbeitern und Entwicklern anzuhören. Man versucht, insbesondere infolge der Aufmerksamkeit für #MeToo, Frauen zu ermutigen, Vorbilder zu sein und Stellung zu beziehen, wenn der gegenseitige Umgang nicht passt.

Wettstreit der Ideen nur mit Respekt möglich

Red Hat baut auf das Prinzip der Meritokratie. Bei der Entscheidung über neue Entwicklungen sollten die besten Ideen gewinnen, egal ob sie von einem Manager oder von einem neu eingestiegenen Programmierer kämen. Dieser Wettstreit sei aber nur möglich, wenn gegenseitiger Respekt herrsche. "Wenn man [das Prinzip] ernst meint", so CEO Jim Whitehurst, "dann kann man nicht sagen, dass man nur die besten Ideen von jenen Leuten berücksichtigen kann, die vernichtende Kritik aushalten." (red, 7.5.2018)