Auf Sergio Mattarella ist Verlass. Als einer der wenigen besonnenen Verantwortungsträger in Italiens gewohnt absurder Polit-Szenerie hat der Staatspräsident entschieden, die Bildung einer Expertenregierung in Auftrag zu geben. Zuvor hatten sich die Wahlsieger – auf der einen Seite die Fünf-Sterne-Protestbewegung (die erstaunlich schnell einen Zug zur Macht entwickelte), auf der anderen die stramm rechte Lega im Bündnis mit Silvio Berlusconis konservativer Forza Italia – eher bekriegt als versucht, eine Regierung zu bilden. Der Wahlkampf, der am 4. März mit dem Urnengang zu Ende hätte gehen sollen, dauert auch zwei Monate später noch unvermindert an.

Und das ist nachvollziehbar – zumindest aus der Sicht der beiden Spitzenkandidaten Luigi Di Maio und Matteo Salvini: Auch wenn eine Regierung (egal ob mit oder ohne Berlusconi als Juniorpartner) zustande gekommen wäre, wäre sie spätestens nach ein paar Tagen wieder im Streit festgefahren gewesen. Die altbekannte Folge in Italien: die x-te Regierungskrise und dann wohl gleich wieder Neuwahlen, die 18. vorzeitigen Wahlen in über 70 Jahren republikanischer Geschichte.

Viele Szenarien, keine Lösung

Staatspräsident Mattarella hat mehr als geduldig zwei Monate zugewartet, um alle Szenarien durchspielen zu lassen, die mit diesem Wahlergebnis – und mit diesen Protagonisten – möglich waren. Nach zwei Monaten Stillstand soll also eine Übergangsregierung aus unabhängigen Experten gebildet werden. Ihr Auftrag: die Hausaufgaben erledigen, die jede Regierung eines demokratischen Landes als Selbstverständlichkeit erledigen sollte, nämlich für einen funktionierenden Haushaltsplan zu sorgen. Ohne Budget bis Oktober droht Italien wirtschaftspolitisch noch mehr als bisher europa- und weltweit ins Hintertreffen zu geraten.

Die Aussicht auf Neuwahlen ist nicht automatisch eine positive. Ohne neues Wahlgesetz droht eine Prolongierung des aktuellen Patts. Ein schneller Urnengang noch vor dem Sommer würde keine Besserung der Lage versprechen, eher das Gegenteil. Eine Reformierung des Wahlgesetzes ist dringend nötig. Das aktuelle wird von vielen zu Recht als unfair betrachtet, es war vor allem darauf ausgelegt worden, der Fünf-Sterne-Bewegung zu schaden.

Gefahr eines Misstrauensvotums

Doch auch ein neues Budget oder ein neues Wahlgesetz – so es überhaupt zustande kommt – müsste eine technokratisch-neutrale Übergangsregierung erst einmal durch die beiden Parlamentskammern bringen. Und auch diese Übergangsregierung kann an einem Misstrauensvotum scheitern – wie so viele parteipolitische Kabinette vor ihr auch schon.

Es ist wohl kaum vermessen zu behaupten, dass Di Maio und Salvini kein allzu großes Interesse daran haben werden, möglichst rasch möglichst geordnete Verhältnisse zu schaffen. Ihre beiden Parteien haben bisher von Chaos und Misswirtschaft nur profitiert und Wählerstimmen generiert, ohne selbst Lösungen entwickeln zu müssen. Einmal selbst an der Macht und in der Verantwortung, müssten sie liefern. Und weltweit kann man sehr gut beobachten, was Populisten zu leisten imstande sind, wenn es ernst wird: oft nur wenig, manchmal sogar gar nichts. (Gianluca Wallisch, 8.5.2017)