Vor fast fünf Jahren kam Naky nach Lissabon, nachdem er mehrere Jahre in Berlin verbracht hatte. Sein Weg führte ihn von Togo, wo er Kommunikationswissenschaften und jede Menge Sprachen – darunter auch Deutsch – studiert hat, nach Europa. Mittlerweile arbeitet er als selbstständiger Immobilienmakler. Sein größtes Hobby ist Geschichte, er vergräbt sich gerne in historische Bücher.

Tour-Guide Naky führt Touristen durch das afrikanische Lissabon.
Foto: Marco Schreuder

Als er sich mit der Geschichte Portugals beschäftigte, fiel ihm auf, dass die Geschichte der Sklaverei und der afrikanischen Community in Lissabon ziemlich unsichtbar und in Portugal gerne vergessen wird. Und dies, obwohl es die Sklaverei seit dem 15. Jahrhundert gab und Afrikaner immer im Stadtbild präsent waren. "Schon am Ende des 15. Jahrhunderts stammten rund zehn Prozent der Lissabonner aus Afrika", erzählt Naky. "Zwar wurden die meisten nach Übersee verschifft, aber in Portugal arbeiteten schon zu Beginn der portugiesischen Schifffahrt afrikanische Menschen vor allem in den Bürgerhäusern. Sie waren im alltäglichen Straßenbild sehr präsent."

Seefahrt und Kolonialismus

Die Portugiesen waren im ausgehenden Mittelalter Meister der Kartografie und der Seefahrt, und ihre Vorherrschaft auf See begann bereits im frühen 15. Jahrhundert. Schnell wurden Madeira, die Azoren und die Kapverdischen Inseln besiedelt, und das Königreich begann mit Stammesfürsten in Westafrika Sklaven zu handeln. Diese Geschichte sowie die Kolonialgeschichte danach, etwa als Portugal Brasilien beherrschte und große Plantagen betrieb, als Angola, Portugiesisch-Guinea, São Tomé und Príncipe, Mosambik, Goa, Portugiesisch-Timor und Macau von Lissabon regiert wurden, will Naky bei seiner Tour zeigen.

Afrikanisch naschen bei einem Greißler in Lissabon.
Foto: Marco Schreuder

So besucht man etwa die Kirche São Domingos, und Naky erzählt, dass hier und in fünf weiteren Kirchen Lissabons bereits im 15. Jahrhundert afrikanische Bruderschaften nachgewiesen worden sind. Kaum erzählt er diese Geschichte, verändern sich im Kopf die Bilder, die man sich von einem mittelalterlichen Lissabon macht. Man besucht eine Straße im Stadtteil Bairro Alto, und Naky erzählt von einer reichen Afrikanerin, die ebenfalls afrikanische Sklaven hielt. "Ich will nicht verurteilen", erzählt er, "ich will die Portugiesen nicht kritisieren, denn Sklaverei gab es immer schon in der Menschheitsgeschichte, aber ich will bewusst machen. Ich möchte erinnern."

Naky vergleicht die Realität mit der Darstellung Afrikas.
Foto: Marco Schreuder

Daher wird er besonders emotional, wenn die Tour am Denkmal des Marquês de Sá da Bandeira ankommt. Bandeira war im 19. Jahrhundert Ministerpräsident Portugals und hat die letzten Sklaven in den Kolonien in die Freiheit entlassen. Zu seinen Füßen ist eine allegorische Figur mit gesprengten Ketten dargestellt. Sie symbolisiert Afrika, die Gesichtszüge sind jedoch greco-romanisch. Das ärgert Naky: "Model saß eine Afrikanerin aus Kap Verde, und trotzdem sieht sie aus wie eine Weiße." Dabei kramt er ein Foto aus seinem Rucksack und hält es hoch, damit man vergleichen kann. Nein, die zwei sehen sich gar nicht ähnlich.

Afrikanische Community heute

Naky führt die Besucher bei seiner über fünfstündigen, aber sehr gemütlichen Wanderung mit vielen Zwischenstopps durch Lissabon auch zur afrikanischen Community heute. Man besucht einen afrikanischen Greißler, kann sich durch verschiedene Spezialitäten durchprobieren, trinkt zwischendurch einen Kaffee und beendet die Tour bei einem ausgezeichneten kapverdischen Essen. Wenn man im Restaurant Tambeira das traditionelle Gericht Cachupa nicht aufisst, packt Köchin und Wirtin Augusta das Essen in Boxen zum Mitnehmen.

Augusta kocht in einem kapverdischen Restaurant in Lissabon.
Foto: Marco Schreuder

"An dieser Tour nehmen leider nur sehr wenige europäische Touristen teil", erzählt Naky. "95 Prozent der Teilnehmer sind Afroamerikaner, weil sie sich mehr für ihre eigene Geschichte interessieren als die Europäer!" Obwohl die Geschichte der Sklaverei und der Kolonialisierung allem voran eine europäische Geschichte ist. Dies sollte man bei all dem maritimen Schnickschnack rund um den diesjährigen Eurovision Song Contest nicht vergessen. (Marco Schreuder, 9.5.2018)