Hierzulande haben ihn die meisten Reifeprüflinge ja schon hinter sich, den schriftlichen Teil des akademischen Übergangsritus. Und selbstredend haben unsere Maturandi/ae die Hürde ohne den zu unserer Zeit auf dem Häusl versteckten Spickzettel genommen. Oder?

In unserer Kultur ist, sagen wir es einmal höflich, die Einstellung nicht sonderlich tief verwurzelt, dass Schwindeln (so hieß das früher, nicht Schummeln) bei Prüfungen aus Gründen der Ehre nicht infrage kommt. Soll vorkommen, dass auch Eltern lieber ein nur auf dem Zettel hochschulreifes als ein ehrliches Kind haben.

So richtig zur Sache geht es aber in Indien: Vor ein paar Jahren ging ein Bild um die Welt, das zeigte, wie Väter, Mütter, Geschwister die Schulhausfassade hinaufkletterten, um während einer Prüfung durchs Fenster zu liefern, was im Kopf fehlt. Ein Maidlein, das in ihrem Staat die Bestnote in "Politik" hatte – und deshalb interviewt wurde –, konnte das Wort nicht buchstabieren und meinte, es habe etwas mit Kochen zu tun.

Das führt wiederum zu Exzessen auf der Gegenseite: Armeerekruten, die ihre Prüfung in Unterwäsche schreiben, Schuhverbot im Klassenzimmer, aufgeschnittene Ärmel zwecks Versteckberaubung. Nicht sehr sophisticated, alter Stil sozusagen – was im IT-Land Indien doch etwas verwundert. Haben die armen Schüler und Schülerinnen noch nie etwas von Knopfkameras gehört? (guha, 16.5.2018)