"Wenn ihr mit uns nicht auf Augenhöhe umgeht, müssen wir uns die Augenhöhe erkämpfen": Wolfgang Katzian, künftiger ÖGB-Chef, warnt die Regierung.

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Wien – Der ÖGB mobilisiert gegen die Sozialmaßnahmen der Regierung. Die Vorstände aller Teilgewerkschaften wurden am Mittwoch ins Wiener Austria Center zu einer Konferenz einberufen, wo in einer Resolution unter anderem gegen die geplante Reform der Sozialversicherung angegangen wird. In seinem Eingangsreferat scheute der scheidende ÖGB-Präsident Erich Foglar deutliche Worte nicht. Noch nie in der Zweiten Republik habe es eine Regierung gegeben, die so klar und ungeniert eine "Regierung der Industriebosse" sei. Diese gegen die Arbeitnehmer gerichtete Politik "kriegt jetzt eine Antwort".

Durch die Bank zeigten sich die Spitzen der Gewerkschaft kämpferisch. Es wurde zumindest indirekt auch mit Streiks gedroht. So sagte der Nachfolger Foglars als ÖGB-Chef, Wolfgang Katzian, in Richtung Regierung: "Wird eine rote Linie überschritten, wird es entsprechende Maßnahmen und Aktivitäten von uns geben." Nicht anders klang der designierte FSG-Vorsitzende Rainer Wimmer: "Wenn wir gefordert werden, werden wir Hände, Füße und Kopf auch zum Einsatz bringen", betonte der pro-ge-Chef. Denn wenn kein anderer Ausweg da sei, werde man diese Karte ziehen müssen.

Inhaltlich verlangen die Gewerkschaften etwa den Erhalt der AUVA und ihrer Leistungen, eine Vereinheitlichung der Kassenleistungen auf hohem Niveau, einen Verzicht auf neue Selbstbehalte und eine Beibehaltung der Arbeiterkammer-Umlage in der bestehenden Höhe. Die Auflösung der Notstandshilfe sowie eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit lehnen sie ab.

"Nicht nur gescheit reden"

Die Regierung wurde von den Gewerkschaftern als eine Art Vorfeldorganisation der Industriellenvereinigung geschildert, hätten Unternehmer doch nicht umsonst den Wahlkampf der ÖVP gesponsert: "Wer zahlt, schafft an", stellte Wimmer dazu lapidar fest. Besonders sprach er gegen die Arbeitszeitflexibilisierung an. An Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) gerichtet meinte Wimmer: "Die sollen einmal zwölf Stunden manuell arbeiten und nicht nur am Rednerpult gescheit reden."

Vida-Chef Roman Hebenstreit unterstellte der Regierung indirekt, über Leichen zu gehen, wenn sie die Strafen für Verfehlungen beim Arbeitnehmer-Schutz reduziere. Es sei klar, dass damit auch Menschenleben gefährdet werden. Insgesamt fühlen sich die Gewerkschafter von der Regierung mit "Fake News" verfolgt: "Lügen haben Kurz als Beine", ätzte Hebenstreit. AK-Präsidentin Renate Anderl sah wiederum die Angriffe der Koalition auf die Kammer als Ausdruck der Furcht. Bremserin sei die AK soundso keine: "Wir bremsen nur, wenn es gegen die Rechte der Arbeitnehmer geht."

"Auftakt für etwas Großes"

Das will auch Katzian, der in wenigen Wochen vom FSG- und GPA-Chef zum ÖGB-Vorsitzenden aufsteigt. Bis zum Kongress Mitte Juni will man sich seinen Angaben zu Folge auch beraten, welche Maßnahmen noch nötig sein werden. Jetzt sei schon klar, der Widerstand werde ordentlich sein. Die Konferenz am Mittwoch sei "der Auftakt für etwas Großes". Wenn jemand meine, die Gewerkschaft sei nicht imstande zu mobilisieren, werde er eines besseren belehrt werden. Direkt an die Regierung gerichtet meinte Katzian: "Wenn ihr mit uns nicht auf Augenhöhe umgeht, müssen wir uns die Augenhöhe erkämpfen." Die künftige Vorsitzender der Gewerkschaftsjugend, Susanne Hofer, merkte an: "Einen Finger können sie uns brechen aber nicht die ganze Faust."

Durchaus auf Linie mit den roten Gewerkschaften zeigte sich auch der Chef der Christgewerkschafter Norbert Schnedl. Der Beamten-Chef befand, wer die Sozialpartnerschaft schwächen wolle, wolle auch die Demokratie in Österreich schwächen. So könne auch eine sinnvolle Reform der Sozialversicherung nur gelingen, wenn sie von allen Sozialpartnern getragen werde. Ansonsten werde nur ein Murks herauskommen. Die vom Vorstand vorgelegte Resolution wurde übrigens per Akklamation angenommen.

Man müsste die Kasse dreimal zusperren

Andere kritische Stimme aus der ÖVP: "So wie es sich die Regierung vorstellt, wird die Kassenreform wohl nicht über die Bühne gehen", prophezeit Peter Mühlbacher, ehemals Präsident der steirischen Wirtschaftskammer, heute Vorsitzender im Kontrollausschuss der Gebietskrankenkasse. Die von der Regierung genannte Milliarde Euro an Einsparungen sei "überhaupt nicht nachvollziehbar, so viel ist in der Verwaltung nie und nimmer zu holen", sagt Mühlbacher im Gespräch mit dem STANDARD: Mit der geplanten Zentralisierung würden die Kosten vielmehr steigen.

Auch Manfred Brunner, Obmann der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, hält die Milliarde für unrealistisch. Der auf sein Bundesland umgelegte Anteil von 40 Millionen sei in der Verwaltung nie einzusparen, sagt der VP-Mann: "Da müsste man die Vorarlberger Gebietskrankenkasse dreimal zusperren." (APA, mue, 23.5.2018)