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Justizminister Josef Moser (ÖVP) hört einen mahnenden Ruf aus Brüssel – und aus dem eigenen Ministerium.

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Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz und Konsumenten, ist mit der Umsetzung der DSGVO in Österreich unzufrieden – und dürfte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik einleiten. Zumindest geht der Verfassungsdienst im Justizministerium davon aus.

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Brüssel/Wien – Die Aufweichungen bei der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) könnten Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU bescheren. Damit rechnet der Verfassungsdienst des Justizministeriums, wie aus einem dem STANDARD vorliegenden Schreiben hervorgeht. Demnach meldete die zuständige EU-Kommissarin Vera Jourová in einem Brief vom 8. Mai Bedenken bezüglich der österreichischen DSGVO-Umsetzung an. Justizminister Josef Moser (ÖVP) wird von seinen hauseigenen Juristen darüber informiert, dass die Bedenken der Kommission "aus fachlicher Sicht" begründet seien.

Das interne Papier des Verfassungsdienstes
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Ärger herrscht im Verfassungsdienst offenbar darüber, dass die betroffenen Regelungen "ohne inhaltliche Einbindung der zuständigen Abteilungen" durchgesetzt wurden, wie es in dem Papier heißt. Die Umsetzung der EU-Verordnung wurde im parlamentarischen Prozess noch einmal deutlich verwässert. Die Regierungsjuristen bestätigen die meisten Kritikpunkte der Kommission mit detaillierten Erklärungen – etwa großzügige Ausnahmen für staatliche Einrichtungen und Journalisten, aber auch das Prinzip "Verwarnen statt strafen", das Österreich in der Umsetzung der EU-Verordnung angewandt hat.

Die Schlussfolgerung der Regierungsjuristen: Die Bedenken der EU-Kommissarin sind begründet.
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"Aus Sicht des Verfassungsdienstes", heißt es in dem Schreiben, "ist davon auszugehen, dass die Europäische Kommission zeitnah nach dem 25. Mai 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich bezüglich der genannten Regelungen anstrengen wird".

Keine Sorge im Ministerium

Eine Sprecherin des Justizministers bestätigte dem STANDARD den Inhalt "des internen Papiers" und betont, dass es sich dabei "um eine sehr vorsichtige Einschätzung des Verfassungsdienstes handelt, die man aber ernst nimmt".

Das Thema soll auch kommende Woche in Brüssel angesprochen werden, wenn Moser mit EU-Kommissarin Jourová zusammentrifft. Mosers Sprecherin geht aber davon aus, dass Österreich bei der Umsetzung des EU-Datenschutzes auf der sicheren Seite ist: "Man muss sich keine Sorgen machen." Darüber hinaus will sich die Bundesregierung auf Anfrage nicht zur Sache äußern.

Nach Jourovás Schreiben Anfang Mai erwähnte ihre Kabinettschefin Renate Nikolay die Beschwerde am vergangenen Wochenende bei einer Veranstaltung in Berlin. Für die EU sei es ein "besonders schwieriges Signal", dass Österreich zusichert, die meisten Datenschutzverstöße straffrei bleiben zu lassen, erklärte Nikolay. Auch weil Österreich ab Juli die Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union übernehme.

Großzügige Ausnahmen

Konkret beschwert sich Jourová über eine Reihe von Abänderungen: Das Datenschutzderegulierungsgesetz räumt Unternehmen und dem Staat großzügige Ausnahmen ein. Das in der EU-Verordnung vorgesehene Auskunftsrecht besteht etwa nicht, wenn Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse oder eine "gesetzlich übertragene Aufgabe" des Staates gefährdet wären. Beide Punkte seien Jourovás Einschätzung zufolge nicht mit den Vorgaben der DSGVO zu vereinbaren.

Für Medien wurden mehrere Punkte der Verordnung gestrichen – zudem muss das Redaktionsgeheimnis bei potenziellen Datenschutzverstößen berücksichtigt werden, etwa in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten. Auch für Künstler, Autoren und Wissenschaftler wurden Ausnahmen geschaffen, was mit der Wahrung der Meinungsfreiheit begründet wird.

Nachsichtige Regierung

Die Kommissarin stößt sich an diesen pauschalen Ausnahmen, zudem sehe die DSGVO nur Abweichungen vor, die Datenschutzgrundrecht und Meinungsfreiheit abwägen.

Bei der Ahndung wollte die Regierung diesmal besonders sanft sein – und schrieb den Grundsatz "Verwarnen statt strafen" ins Gesetz. In der EU-Verordnung ist das allerdings nicht gedeckt: Der Verfassungsdienst im Ministerium sieht die Bedingungen für Geldbußen "abschließend" formuliert – sie lässt somit keinen Raum für nationale Regelungen. Zudem sei die Formulierung unklar und lasse viele Auslegungen zu. Daher herrsche Rechtsunsicherheit – weswegen empfohlen wird, den Absatz gänzlich zu streichen. (Muzayen Al-Youssef, Sebastian Fellner, Markus Sulzbacher, 1.6.2018)