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Radfahren als Himmelfahrtskommando der Sonderklasse. Zum Beispiel beim Hochradrennen Herne Hill um 1920.

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Der Sport hat es schwer in der Literatur. Und die Literatur mit dem Sport. Geht es um die große Zeit des Boxens, genügt es, A. J. Liebling, Norman Mailer, Bill Cardesos Rummel im Dschungel und Joyce Carol Oates zu lesen oder zu George Kimballs Lesebuch At the Fights zu greifen. Übers Schwimmen liest man am besten Roger Deakin, Lynn Sherr oder Charles Sprawsons jüngst wiederaufgelegte großartig liquide Meditation Haunts of the Black Masseur.

In der deutschsprachigen Literatur sieht es übersichtlicher aus. Übers Laufen schrieben Günter Herburger und Matthias Politycki. Und Thomas Pletzinger begleitete ein Jahr lang eine Basketballmannschaft. Wie aber steht es mit dem Radfahren, mit der Freude am Radfahren? Da findet sich Prosa von Tim Krabbé, Heinrich Böll, Paul Fournel oder Ugo Riccarelli. Und jetzt der exorbitante Kurzroman des in Tübingen lebenden Joachim Zelter, der selbst cycloman, fahrradbesessen, ist und als Vortragender zu Literaturfesten auch einmal mit Rennrad und im Lycra-Dress auftaucht.

Selbstentgrenzung

Zelter schickt in Im Feld den karrieretechnisch verunglückten Ex-Dozenten und Ex-Volksbildner Frank Staiger auf einen Christi-Himmelfahrt-Radausflug. Die in Freiburg im Breisgau sehr harmlos einsetzt und zur "Tor-Tour" wird, zu einem existenzialistischen Himmelfahrtskommando der Sonderklasse. Am Ende des langen, extrem strapaziösen Tages sind 345 Kilometer und 4367 Höhenmeter zurückgelegt.

Sprachlich ausgefuchst, psychologisch röntgentiefscharf, dramaturgisch raffiniert und wie alle Bücher Zelters mit viel charmanter Ironie getrüffelt, ist dies jedoch mehr als "nur" ein Roman übers Pedalieren. Vielmehr eine Allegorie über Leben, über Ausloten, über Einfügen und Reflexion in den Zonen der Selbsterkenntnis, über Grenzerfahrung, Selbstentgrenzung und Autosuggestion. (Alexander Kluy, 13.6.2018)