Seit 17 Monaten hält US-Präsident Donald Trump mit seinen Provokationen und Kehrtwendungen die Welt in Atem. Doch das Schauspiel, das er beim G7-Gipfel in Kanada geboten hat, stellt alles Bisherige in den Schatten. Dass ein US-Präsident im Nachhinein seine Zustimmung zu einem ohnehin zahnlosen Schlusskommuniqué zurückzieht, bloß weil er den Auftritt des Gastgebers vor der Presse nicht goutiert, ist eine einzigartige Brüskierung der Verbündeten. Trump hat damit der seit mehr als 40 Jahren bestehenden G7 einen vielleicht tödlichen Schlag versetzt.

Sein Verhalten war kein Ausreißer, es hat Methode. Denn Trump hasst jede Art des Multilateralismus, der die Grundlage der Weltordnung seit 1945 bildet. Instinktiv lehnt er die Uno, die Nato, die G7, die WTO und alle anderen Verbände ab, in denen mehrere Staaten zusammensitzen und Kompromisse aushandeln müssen. Er will nur Staat zu Staat – oder noch besser Mann zu Mann – verhandeln, so wie bei Immobiliendeals.

Protektionismus sitzt tief

Trump schätzt autoritäre Herrscher viel mehr als demokratische Politiker. Er wäre lieber mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Tisch gesessen als mit Kanadas Premier Justin Trudeau, den er im Tweet als "unehrlich und schwach" beschimpfte. Jetzt freut er sich auf das Treffen mit dem nordkoreanischen Diktator in Singapur. Kim Jong-un ist ein junger Mann ganz nach seinem Geschmack.

Der Protektionismus sitzt bei Trump ganz tief. Er ist überzeugt, dass Welthandel nur ein Kampf um Absatzmärkte ist und der Rest der Welt die USA ganz schlecht behandelt. Das passt zu seinem Reflex, sich stets als Opfer zu sehen. Es sind fadenscheinige Argumente, die Trump hier gegen die Europäer und Kanada vorbringt, aber er ist davon überzeugt.

Denn Trump lässt sich von Beratern kaum noch beeinflussen. Die Einzigen, denen er zuhört, sind jene, die ihm ohnehin zustimmen. Die anderen sind marginalisiert, oder sie sind bereits gegangen. Die USA sind ein Rechtsstaat, in dem der Kongress, die Gerichte und die Bundesstaaten die Macht des Präsidenten beschränken. Aber innerhalb der Exekutive zählt nur das Wort eines Mannes – wie in den Diktaturen, die er bewundert.

Launen statt Fakten

Dazu kommt, dass sich Trump mehr von Launen leiten lässt als von Analysen und Fakten. Bei Kritik schlägt er wild um sich – zu Hause genauso wie in der Weltpolitik. Das macht ihn völlig unberechenbar, denn sein Wort von gestern zählt ein paar Stunden später nicht mehr.

Für die Europäer ist dieser Mann eine Katastrophe: Die USA sind von einer Schutzmacht zu einem Risikofaktor geworden, der das internationale Regelwerk genauso wenig respektiert wie Russland oder China. Aber was sollen sie tun? Die Versuche von Trudeau oder dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Trump zu schmeicheln, sind gescheitert. Aber ob Aufrufe zum Widerstand etwas nützen, ist unklar. Trump reagiert auf Gegendruck meist mit noch mehr Härte – und kümmert sich nicht um Schaden für sein eigenes Land.

Trump hat seit seinem Amtsantritt alle Verbündeten vergrault und sein Land in die Isolation geführt. Freuen können sich nur die Feinde der USA, allen voran Nordkorea. Trump hat bereits erklärt, dass er sich für das Treffen mit Kim nicht vorbereitet, sondern sich von seinem Instinkt leiten lassen wird. Das gibt dem schlauen Machthaber in Pjöngjang eine gute Chance, Trump an die Wand zu spielen. (Eric Frey, 10.6.2018)