Wien – "Das Eigenthum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigenthümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt." So steht es im Staatsgrundgesetz von 1867, Artikel 5. In der Judikatur sei das später dahingehend konkretisiert worden, dass Enteignungen nur im öffentlichen Interesse stattfinden dürfen, erklärte Verfassungsrechtsexperte Heinz Mayer, derzeit in der Kanzlei Lansky, Ganzger + Partner tätig, beim Wohnsymposium. So ein öffentliches Interesse sei etwa ein Spital. "Jedenfalls nicht die Villa für den Bürgermeister." Öffentliches Interesse sei aber "sicherlich" auch, das Horten von Bauland zu verhindern.

Enteignungen für die Schaffung von Wohnraum ermöglicht das Bodenbeschaffungsgesetz aus dem Jahr 1974. Es gibt den Bundesländern die Möglichkeit, für die Errichtung von Häusern "mit Klein- oder Mittelwohnungen oder von Heimen" unbebaute Grundstücke zu "beschaffen". Das Instrument der Enteignung gegen Entschädigung "zugunsten von Gebietskörperschaften und gemeinnützigen Bauvereinigungen" wird dabei explizit als zulässig erklärt – wenn Eigentümer zuvor den Verkauf oder etwa die Einräumung von Baurechten ablehnen.

"Totes Recht"

Kleiner Schönheitsfehler: Angewandt wurde das Bodenbeschaffungsgesetz bisher noch nie. Es sei "totes Recht", sagte der Raumordnungsexperte Arthur Kanonier von der TU Wien. "Es wird wohl zu den Materien gehören, die demnächst entsorgt werden", so der Experte mit Blick auf die geplante großangelegte "Rechtsbereinigung" des Justizministers Josef Moser. Nicht ohne anzufügen, dass man zuvor doch noch wenigstens überlegen sollte, "woran es scheitert, dass es nicht angewandt wird. Denn wenn das ewig nicht angewandt wird, dann hat es wohl Konstruktionsfehler."

Genau diesen will man nun offenbar auf den Grund gehen. Wie der STANDARD erfuhr, gibt es im Wirtschaftsministerium ernsthafte Überlegungen, das Bodenbeschaffungsgesetz doch noch zu "retten". Diese Überlegungen dürften auch der Grund sein, warum das Gesetz im Anhang des Entwurfs für das Bundesrechtsbereinigungsgesetz auftaucht. Das heißt: Noch wird es nicht abgeschafft. Es besteht Hoffnung. (mapu, 14.6.2018)