Lagos – Auf zwei Beinen stehe, oben sei ein Kopf, eile nun und gehe mit dem Wassertopf! Holprig angelehnt an Goethens Zauberlehrling scheint Jaguars I-Pace: Auf vier Rädern stehe, drinnen steck viel Kopf, eile nun und fahre ohne Zylindertopf. Oder so.

Der I-Pace fühlt sich auch auf der Rennstrecke wohl.
Foto: Jaguar

Der erste batterieelektrisch betriebene Jag ist nämlich konstruiert nach Skateboard-Prinzip, dies erläuterte Projektleiter Wolfgang Ziebart bei der Präsentation an der Algarve – wo ein paar extraschnelle Runden am Autódromo Internacional do Algarve bei Portimão inkludiert waren, um die Steher-, die Liegerqualitäten des Konzepts zu demonstrieren. Fazit vorweg: liegt wie Brett. Suuuper Auto.

Der I-Pace, sagt Jaguar, sei nach Skateboard-Prinzip konstruiert – Räder quasi an den Ecken.
Foto: Jaguar

Dies habe den Vorteil, so Ziebart weiter, dass man die Räder quasi an die Ecken stellen könne, mit kurzen Überhängen, langem Radstand (2,99 m), breiter Spur. In Kombination mit den rund 600 kg wiegenden, im Unterboden verbauten Lithium-Ionen-Batterien und dem daraus resultierenden tiefen Schwerpunkt ergibt sich ein schwerlich hinter so einem SUV vermutetes Fahrdynamik-Potenzial, und damit ein paar Worte zur Person, zu Mr. I-Pace.

Wenn es einen Mr. I-Pace gibt, dann ist es Wolfgang Ziebart. Der ehemalige BMW-Mann hat das Projekt in vier Jahren durchgezogen.
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Es ist nämlich vor allem sein Baby. Ziebart, Jahrgang 1950, war in den 1990ern bei BMW zuständig für die 3er-Entwicklung (E46) und ist nach leitenden Tätigkeiten bei Continental, Infineon und anderen Unternehmen seit 2013 in führender technischer Funktion bei Jaguar. Nur vier Jahre brauchte es vom weißen Blatt Papier bis zum fertigen I-Pace, zu dem JLR-Chef Ralf Speth sogleich seinen Sanctus gab, und gerade das schätzt der Deutsche so an Jaguar: die kurzen Entscheidungswege – bei BMW etwa sei so etwas heute nicht mehr möglich -, die engagierte Mannschaft. "Wir konnten so viele Leute für das Projekt heranziehen, wie wir gerade brauchten."

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Ralf Speth bei der Präsentation der Zusammenarbeit mit Waymo.
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Und was für ein Ergebnis. Wenn E-Mobilität, dann so. Tesla, gebeutelt von Rekordverlusten (2017: 1,8 Mrd. Euro), tödlichen Unfällen, brennenden Autos, jetzt wird auch noch fast jeder zehnte Angestellte entlassen, kann sich warm anziehen. Als direkter Gegner des Model X fährt hier ein wahrer Tesla-Killer vor. Dem Jaguar merkt man einfach an: Hier werkt ein echter Autobauer, der schafft ein souverän abgestimmtes Luftfederfahrwerk, präzise Lenkung, passende Spaltmaße und einen Innenraum zum Genießen, weit weg vom Bastlerbudencharakter.

Der Innenraum des I-Pace.
Foto: Jaguar

Chefdesigner Ian Callum hat anstelle der langen Motorhaube erstmals ein Cab-Forward-Design realisiert, was dem Öko-SUV ebenso gut steht wie die à la Range Rover Velar ausfahrenden Türgriffe und die Sinuswelle im Seitenkorpus.

Äußerst dynamisch sieht auch das Heck aus.
Foto: Jaguar

Interessant übrigens, dass man sich den Luxus leistet, nicht auf eine Konzernplattform zurückzugreifen, sondern einen ganz eigenen Unterbau geschaffen zu haben. Es sei ein Irrtum, zu glauben, das sei teurer, meint Ziebart – und nennt das Beispiel des batterieelektrischen BMW X3, der 2020 auf den Markt kommt: Da müsse man das Auto komplett umkonstruieren, bis hin zur Crashstruktur, was letztlich teurer sei als eine eigene neue Basis wie bei Jaguar.

Der I-Pace hat keine lange Motorhaube und sieht dennoch sportlich aus.
Foto: Jaguar

Die Batterien haben 90 kWh Kapazität, die Leistungselektrik stammt von Conti, und die zwei selbst entwickelten E-Motoren – einer vorn, einer hinten – bringen je 200 bei Abfrage mächtig antauchende PS an die Räder, die so ausgefuchst einzeln angesteuert werden können, dass der Torque-Vectoring-Effekt suggeriert, die Katze kralle sich regelrecht in den Asphalt. Sogar im Gelände, zu dem Behufe stelle man das Fahrwerk 50 mm höher, macht er richtig was her. Das ist ja ein kleiner Klettermaxe, wer hätte das gedacht?

Zwei E-Motoren treiben den I-Pace an.
Foto: Jaguar

Die Bodenfreiheit von dann 19 cm hat noch einen weiteren Grund, einen fiskaltechnischen: Ab 18 cm fällt ein Auto in den USA in die günstige Truck-Einstufung, was den I-Pace dort inklusive der Null-Emissions-Bewertung auch preislich attraktiv macht. Ob die Nachfrage bedient werden kann, ist eine andere Frage, denn die maximale Jahreskapazität von E- und I-Pace in Graz liegt bei zusammen rund 100.000 Stück.

Für uns ein Racing-SUV, für die Amerikaner ein Zero-Emission-Truck.
Foto: Jaguar

Bei 480 Kilometer WLTP-Reichweite kann man davon ausgehen, dass das Standardmaß Wien-Salzburg zu jeder Jahreszeit bewältigbar ist, denn 350 km gehen sich immer aus, ein ganz wichtiger Schritt in Richtung alltagstauglicher E-Mobilität. Und was den Sound betrifft, kann man ihn zwischen surren, schnurren und fauchen manuell verstellen. Zwar aus der Konserve, aber was soll's. Walle! walle manche Strecke, dass, zum Zwecke, Strom jetzt fließe. (Andreas Stockinger, 18.6.2018)