Sichtbeton und Betongeländer aus verzinkten Formrohren charakterisieren das Wohnhaus in Meidling, ...

Foto: Manfred Seidl

... das auf wenig Platz errichtet wurde.

Foto: Manfred Seidl

Wie aus der Zeit gefallen soll das 300 Jahre alte Bauernhaus in der Kollmayergasse in Wien-Meidling zuletzt gewirkt haben. Während in der aufstrebenden Nachbarschaft in Gürtelnähe neue, große Wohnprojekte aus dem Boden wuchsen, tat sich hier lange nichts. "Das Haus ist schon auseinandergebrochen, und aus dem Dach ist ein Baum gewachsen", berichtet die Architektin Christine Diethör vom Wiener Architekturbüro Raumkunst.

Das Interesse von Bauträgern am Grundstück habe sich – trotz Nähe zum Gürtel und guter Anbindung an die Öffis – in Grenzen gehalten: "Dieses Grundstück hielten eigentlich alle für unbebaubar", sagt Diethör. Der Grund: Es ist mit 18 Metern Tiefe und nicht einmal ganz 14 Metern Breite sehr schmal, außerdem reichte die Feuermauer auf einem benachbarten Grundstück bis ins zweite Stockwerk hinauf.

"Ich wollte einfach nicht glauben, dass das Grundstück unbebaubar ist", sagt Diethör. Sie kaufte es und entwickelte es kurzerhand selbst. "Projektentwicklung wollte ich immer schon machen", erklärt sie. Denn so könne man als Architektin mehr ausprobieren – etwa Sichtbeton in Wohnungen und im Stiegenhaus, der bei ihrem Projekt zum Einsatz kam.

Keine Garage, kein Keller

Außerdem sei es bei ihrem Projekt nicht darum gegangen, die Quadratmeteranzahl zu maximieren. "Als Architektin steht man immer zwischen Bauherr und Baufirma – und die wollen oft diametral entgegengesetzte Dinge"; ein Dilemma, das so weggefallen sei.

2015 besichtigte Diethör erstmals das Grundstück, im Frühjahr 2016 erfolgte der Abriss des Bestandsgebäudes.

Im Juni desselben Jahres fand der Baubeginn statt. Die Fertigstellung war im August 2017. "Von heute auf morgen geht gar nichts", sagt Diethör. Denn in der Feuermauer am Nachbargrundstück waren noch zwei Fenster – ein Problem, das vonseiten des Verkäufers erst gelöst werden musste, bevor der Verkauf über die Bühne gehen konnte.

Auf eine Garage bzw. eine Unterkellerung des Grundstücks wurde verzichtet – für die Wendekreise der Autos war das Grundstück zu schmal. Die per Gesetz vorgeschriebenen Stellplätze wurden stattdessen um 72.000 Euro abgelöst. Ein Keller ist im Eingangsbereich des Gebäudes trotzdem angeschrieben, dabei handelt es sich aber um ebenerdige Einlagerungsräume für die Bewohner.

Groß statt kompakt

Charakteristisch für das sechsstöckige Gebäude sind die Balkongeländer aus verzinkten Formrohren. "Von innen wirken die Rohre transparent, von außen sehr dicht", erklärt Diethör. Die Formrohre reichen von den darüberliegenden Balkonen ein Stück weit hinunter, "das schlängelt sich wie eine Borte unten um den Balkon und kreiert mit der Sonne in der Wohnung ein Streifenmuster", sagt Diethör.

Aufgrund der erwähnten Feuermauer wurde vom Nachbargrundstück abgerückt und so eine Belichtung geschaffen: "Uns ging es nicht um die Maximierung von Quadratmetern", sagt Diethör. Zudem sei im unteren Stockwerk durch zwei Atriumterrassen ein "Pariser Flair" entstanden.

Die zehn Eigentumswohnungen sind vom Schnitt her alle ähnlich und verfügen über zwei bis drei Zimmer auf 85 Quadratmetern. Kleinere Wohnungen, wie sie angesichts der momentanen Preissituation in Wien im Trend liegen, seien überlegt worden, so Diethör: "Die wären aber nicht vernünftig erschließbar gewesen."

Die zwei Dachgeschoßwohnungen ganz oben sind bereits verkauft, insgesamt sind noch fünf Wohnungen zu haben. Die Quadratmeterpreise liegen zwischen 4800 und 4900 Euro. "Das ist eher viel für die Gegend", räumt Diethör ein. "Aber es wurde auch bei der Qualität des Bauens nicht gespart."

Wohnung für Airbnb

Verkauft sollen zudem nicht alle Wohnungen werden: Die Wohnung, die aktuell noch als Musterwohnung genutzt wird, wird schon heute als Airbnb-Wohnung vermietet, Mieter können unten bei der Eingangstür einen Code eingeben und finden im Haus einen Schlüssel-Safe.

Meidling ist für die Architektin ein aufstrebender Bezirk. Vor wenigen Tagen wurde das Projekt in der Kollmayergasse mit dem Architekturpreis Schorsch der MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung) ausgezeichnet. Weitere Projekte in Eigenregie hat Diethör trotzdem vorerst nicht vor. Baulücken gäbe es aber noch – sogar in Gehweite der Kollmayergasse. (Franziska Zoidl, 15.6.2018)