Folgt man den Worten von Bruno Le Maire, ist in den deutsch-französischen Beziehungen "die Stunde der Wahrheit gekommen" – auch in der Eurozone, ja sogar in der Europäischen Union als Ganzes. In diesem Sinne hat sich Frankreichs Finanzminister beim Treffen seines Präsidenten Emmanuel Macron mit Kanzlerin Angela Merkel geäußert: Ehrgeizige Reformen seien angesagt, die Zukunft der Währungsunion stehe auf dem Spiel.

Fortschritt wäre schön. Europa steckt in der Tat in einer Vielfachkrise. Dass die deutsche Regierung am Streit um die "richtige" Linie bei der Migrationspolitik zu zerbrechen droht, ist brandgefährlich für alle EU-Staaten. Aber was am Ende zählt, sind nicht Pathos aus Paris und (angeblich) geläuterte Erklärungen in Berlin, sondern das, was Regierungschefs bzw. ihre Minister angesichts der Mühen der Ebene in Brüssel und Straßburg zustande bringen; ob es ihnen gelingt, nicht nur Konzepte, sondern belastbare Regelungen im Detail auf den Weg zu bringen.

Unter diesem Aspekt muss man den jüngsten Merkel/Macron-Vorschlag zur Eurozone betrachten. Er kommt zehn Monate nach den deutschen Wahlen viel zu spät. Fast alle Ideen darin sind längst bekannt, auch zur Einrichtung eines Eurobudgets und Schaffung des Eurowährungsfonds. Die Finanzminister streiten darüber seit Jahren, erfolglos, vor allem weil Berlin nicht in Transferhaftung für andere, für Schwächere gehen will. Eine unangenehme Wahrheit. (Thomas Mayer, 19.6.2018)