Argumentativ steht Strache mit dem Rücken zur Wand – ohne viel Spielraum.

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An Sebastian Kurz perlen die Angriffe und Vorwürfe ab. Dass die ÖVP, erst recht die neue ÖVP, in der Frage der Arbeitszeitflexibilisierung auf der Seite der Wirtschaft, der Unternehmer und der Industrie steht und deren Interessen wahrnimmt, ist kaum überraschend. Das konnten sich jene, die den Wahlkampf von Kurz gesponsert haben, erwarten. Das entspricht offensichtlich auch der Erwartungshaltung der Masse seiner Wähler. Dass Opposition, Gewerkschaft und Arbeiterkammer toben, nimmt man in der ÖVP achselzuckend zur Kenntnis. Diese Auseinandersetzung hält Kurz leicht aus. Er scheint sie regelrecht zu genießen.

Was ihm nicht egal sein kann, ist der Umstand, dass auch die FPÖ tobt. Nicht deren Führung, aber deren Basis. Dass die FPÖ in der Bundesregierung eine Politik unterstützt, die primär die Interessen der Arbeitgeber im Fokus hat, kommt bei den Wählern und Sympathisanten der Freiheitlichen nicht gut an. Heinz-Christian Strache, der sich in der Opposition noch selbst vehement gegen die Umsetzung des Zwölfstundentags ausgesprochen hat, stößt mit dem neuen Kurs bei seinen eigenen Leuten auf Unverständnis.

Auf den Social-Media-Kanälen haben Strache und sein Team alle Hände voll zu tun, die empörten Rückmeldungen im Zaum zu halten. Skurril ist, dass innerhalb der FPÖ nun ein Streit darüber geführt wird, wer sich weniger mit dem neuen Gesetz auskennt. Vizekanzler Strache spricht seiner Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, die inhaltlich zuständig wäre, die Kompetenz ab, sich im Gesetz zurechtzufinden. Was die Bezahlung von Überstunden oder die Freiwilligkeit von Mehrarbeit betrifft, interpretiere sie die Gesetzesvorlage ebenso falsch wie Georg Kapsch, Chef der Industriellenvereinigung.

Kaum Spielraum

Zur Erklärung der angestrebten Maßnahmen veröffentlicht der FPÖ-Chef nicht etwa ein eigenes Arbeitspapier, sondern postet auf Facebook eine Aussendung der Wirtschaftskammer, in der alles ins beste Licht gerückt wird. Dass in der FPÖ offenbar nicht die Kompetenz vorhanden ist, die Maßnahmen, die man bereit ist mitzutragen, auch zu erklären, ist peinlich. Tatsache ist auch, dass jene Abgeordneten der FPÖ, deren Namen auf dem im Parlament eingebrachten Initiativantrag aufscheinen, nicht fähig oder willens sind, dessen Details und die Auswirkungen in der realen Arbeitswelt darzustellen.

Argumentativ steht Strache jedenfalls mit dem Rücken zur Wand – ohne viel Spielraum. Dass die Freiwilligkeit bei der Umsetzung der Arbeitszeitflexibilisierung jetzt gesetzlich klargestellt werden soll, wird dem FPÖ-Chef nicht mehr aus der Bredouille helfen.

Aus Sicht seiner Wähler lässt sich sagen: Strache hat bis jetzt nicht geliefert. Der Umfaller beim Freihandelsabkommen Ceta war ebenso ein Vertrauensbruch, wie es die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeitszeitflexibilisierung zu werden droht. Was den Kampf gegen jedmögliche Flüchtlingsbewegung nach Österreich betrifft, von dem die FPÖ so lange und so gut gelebt hatte, hat Kurz hier längst die Themenführerschaft übernommen und die FPÖ ausgehebelt. Außer einem sehr verhaltenen Aufbegehren gegen die EU hat die FPÖ kaum noch Themen.

Kanzler Kurz wird in Zukunft freiheitliche Agenden mitdenken und etwas großzügiger in der Themenzuteilung sein müssen. Sonst drohen Strache und Co in eine schwere Identitätskrise zu stürzen. An dieser könnten sie – samt Koalition – zerbrechen. (Michael Völker, 21.6.2018)