Das Semmelweis-Areal beschäftigt derzeit nicht nur die Politik, wie am Freitag durch eine Sondersitzung im Gemeinderat deutlich wurde. Es ermittelt außerdem die Staatsanwaltschaft.

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Wien – Bevor es für die Wiener Gemeinderäte in die Sommerpause geht, wurde am Freitag im Rathaus noch einmal ausgiebig debattiert. Die Neos hatten eine Sondersitzung beantragt. "Roter Immobilienskandal Semmelweis: Wer profitiert? Stadt Wien muss jetzt rasch eingreifen!" verriet der Titel bereits die Forderung, die auch FPÖ und ÖVP im Zusammenhang mit dem Areal im 18. Bezirk teilen.

Billiger Verkauf, Gutachter in der Kritik

Die Causa sorgt seit mehr als fünf Jahren immer wieder für Aufregung. 2012 wurden drei historische Pavillons auf dem Areal privatisiert, um den Betrieb eines privaten Musikgymnasiums zu ermöglichen. Die Stadt erhielt 14,2 Millionen Euro von einer Investorengruppe rund um den neuseeländischen Milliardär Richard Chandler sowie Immobilienentwickler Nikolaus Peter Lengersdorff. Eine Ausschreibung gab es nicht, Basis für den Preis war ein Gutachten.

Oppositionsparteien kritisieren nicht nur den Preis als zu niedrig, sondern stören sich auch daran, dass der Gutachter selbst 2010 ein Zinshaus auf dem Areal erstanden hat – für 500.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen die Amadeus Vienna Campus Betreibergesellschaft – mittlerweile kam es allerdings zu einer Einstellung.

Unterschiedliche Angaben über Räuungsklage

Vor wenigen Tagen hieß es dann, die Pavillons der Schule seien von einer Zwangsversteigerung bedroht, weil der Eigentümer finanzielle Probleme hat. Lengersdorff versicherte allerdings, dass die Schule durch einen Weiterverkauf nicht gefährdet sei. Die Nutzung als Schuleinrichtung ist bis 2027 vertraglich festgeschrieben. Seitens der Schule wurde am Freitag einmal mehr versichert, dass deren Fortbestand nicht gefährdet sei. Es gebe auch keine Räumungsklage, zitiert die APA Stefan Weishaupt von der Kanzlei Wolf Theiss, die die Einrichtung rechtlich vertritt.

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) zog dennoch die Notbremse und verkündete am Freitag morgen eine Bausperre, damit das Areal "dem spekulativen Markt" entzogen werde. Die Bausperre, die mit der SPÖ akkordiert sei und durch einen Beschluss im Gemeinderat im September in Kraft treten soll, gelte für drei Jahre.

Baustopp nicht genug

Wenige Stunden später kamen die Mitglieder des Gemeinderats im Rathaus zusammen. Der Baustopp wurde dort zwar als wichtiger Schritt gelobt, die Opposition gab sich damit allerdings nicht zufrieden.

Denn es geht bei der Causa nicht nur um die Musikschule: Ungereimtheiten sehen Neos, ÖVP und FPÖ auch bei der Veräußerung eines weiteren Grundstücks auf dem Areal an die "At Home"-Immobilien-GmbH, die dort Luxuswohnungen errichtete – 4,66 Millionen Euro wurden dafür bezahlt. Hinter dem Käufer steckt die Genossenschaft Gewog / Neue Heimat, die wiederum zu 82 Prozent der SPÖ-nahen Gewerkschaft "Bau Holz" gehört. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

"Beide Male hat der gleiche Gutachter den Wert der Grundstücke geschätzt – und zwar weit unter Marktwert", eröffnete Christoph Wiederkehr von den Neos die Debatte. All "diese mehr als dubiosen Vorgänge, wo jetzt auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen hat, sind über den Schreibtisch des jetzigen Bürgermeisters Ludwig gegangen", ergänzte Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger.

Anträge der Opposition abgelehnt

Die Pinken forderten außerdem unter anderem die Einführung eines Verbots von Aufträgen der öffentlichen Hand an Unternehmen und Institutionen in Parteieigentum, die Installierung eines weisungsfreien Vertrauensanwalts als Anlaufstelle und Beratungseinrichtung für Opfer von Korruption – und dass Interessenverbände künftig Umgehungen des Vergabegesetzes anfechten können. Außerdem sollen alle Unterlagen und Gutachten vorgelegt werden.

Dafür plädierte auch FPÖ-Mandatar Udo Guggenbichler. Die Bausperre sei gut, komme aber sechs Jahre zu spät. Die Fraktion forderte die Einsetzung eines runden Tischs zum Thema.

ÖVP-Gemeinderat Wolfgang Ulm sieht "fatale Versäumnisse in der Vergangenheit". Die Stadt lerne aus ihren Fehlern nicht, gehe immer wieder schlechte Deals ein.

Insgesamt brachten Neos und FPÖ zehn Anträge ein – allerdings wurde keiner davon angenommen. Man werde trotz des "Mauerns" der Regierung am Thema dranbleiben, vermeldeten die Neos nach der Sitzung.

Regierung sieht keinen Skandal

Zu Wort meldete sich dort natürlich auch die Regierung: SPÖ-Abgeordneter Georg Niedermühlbichler sieht mehr heiße Luft als Skandal und einen Streit zwischen Privaten, andere Beweise gebe es nicht. Auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) "kann in dieser Debatte nichts Neues erkennen", sagte er am Rande einer Pressekonferenz. An der Gemeinderatssitzung nahm er nicht teil. Er teilte außerdem mit, dass er einen Baustopp zum jetzigen Zeitpunkt nicht verhängt hätte.

Auch die Grünen – in Form von Gemeinderat Christoph Chorherr – verstehen die Aufregung nicht. "Was ist die Sache, abseits von Spekulationen in unterschiedlichen Medien?" Die Idee sei gewesen, das Areal nicht hochpreisig zu verwerten und nur Luxuswohnungen zu bauen, sondern die Musikschule. Die funktioniere nach wie vor. ÖVP und Neos bat Chorherr, die eigene Ideologie zu überdenken. "Die Probleme haben damit zu tun, dass sich Private nicht geeinigt haben. Laut Ihnen können die doch immer alles besser." (lhag, 29.6.2018)