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Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will mit den geplanten Anlandezentren "keinen Pull-Faktor" schaffen.

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Wien – Österreich geht davon aus, dass in den von der EU geplanten Aufnahmezentren für Flüchtlinge in Nordafrika keine Überprüfung des Flüchtlingsstatus stattfinden soll. "Aus unserer Sicht sollten dort keine Asylanträge gestellt werden können", sagte Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal zum "Profil".

Dem STANDARD wurde Launsky-Tieffenthals Aussage aus Regierungskreisen bestätigt. Innerhalb der Gipfelteilnehmer gebe es zwei Interpretationen, wie die "Anlandeplattformen" funktionieren sollten: Die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs, darunter Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, gehen von der Möglichkeit aus, in den Zentren Asylanträge für Europa stellen zu können.

Anträge in den Herkunftsländern

Die zweite Variante – und die Position von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – sieht vor, dass keine Antragstellung möglich ist, um einen Pull-Faktor für Asylwerber in nordafrikanischen Ländern zu verhindern. Kurz will, dass Bootsflüchtlinge in diese Landeplattformen gebracht und versorgt werden, um dann weiter in ihre Herkunftsländer gebracht zu werden. Dort, etwa in Niger, der Elfenbeinküste oder Nigeria, sollten, sie dann Asylanträge für die EU stellen können.

Beim EU-Türkei-Pakt, den die deutsche Kanzlerin als Vorbild für die Ausschiffungslager angeführt hat, erklärte sich die Union bereit, direkt aus der Türkei per Umsiedelung Asylwerber aufzunehmen. Irreguläre Migranten, die über die Ägäis nach Griechenland gekommen waren, wurden hingegen in die Türkei zurückgestellt. Sie verloren zwar nicht das Recht auf einen Asylantrag, wurden aber in der "LIste" der Antragsteller nach hinten gereiht.

Setzt sich Österreich mit seiner Position durch, käme das einer massiven Änderung des europäischen Asylsystems gleich. Die Regelung wäre auch kaum vereinbar mit den Bedingungen von IOM und UNHCR, mit deren Unterstützung die Zentren errichtet und betrieben werden sollen: Sie fordern, dass das Recht auf Asyl gewahrt bleibt. Außerdem müssten die Menschenrechte beachtet werden – darunter fällt auch das Verbot, in Staaten zurückzuschicken, in denen Folter und Menschenrechtsverletzungen drohen.

Beim Gipfel selbst und bei den Erklärungen danach blieben die Details der Pläne noch offen. Sie sollen in den nächsten Monaten im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft geklärt werden.

Kurz glaubt an Abkommen mit nordafrikanischen Staaten

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hält Abkommen mit den nordafrikanischen Staaten für "Anlandeplattformen" für Flüchtlinge für machbar. Um die Ergebnisse des EU-Gipfels umsetzen zu können, brauche es eine "starke Zusammenarbeit" mit Nordafrika. Die Verhältnisse dort seien nicht überall instabil, sagte er am Samstag. Die Kosten für solche Deals wären "wesentlich geringer als für unsere Asylsysteme in Europa derzeit".

Die in der Gipfelerklärung festgeschriebene Schaffung von Flüchtlingszentren in Staaten außerhalb der EU verlange eine "starke Zusammenarbeit" mit den nordafrikanischen Staaten, erklärte Kurz. Dazu solle es während der österreichischen Ratspräsidentschaft, also im zweiten Halbjahr, einen EU-Afrika-Gipfel geben, kündigte er an. Gefragt, wie man denn mit Ländern mit instabilen politischen Verhältnissen wie Libyen verhandeln wolle, meinte Kurz, es seien "nicht alle Staaten instabil". So gebe es in Ägypten, Marokko oder Tunesien klare Ansprechpartner, und auch in Libyen gebe es "eine von uns anerkannte Regierung".

Gratis wird es die von der EU gewünschten Flüchtlingszentren in Nordafrika nicht geben. Natürlich sei es notwendig, den Staaten "entgegenzukommen", meinte Kurz dazu – aber: "Die Kosten für solche Anlandeplattformen wären wesentlich geringer als für unsere Asylsysteme in Europa derzeit."

Zudem wolle man die Hilfe vor Ort ausbauen, sagte Kurz, es gehe um mehr und effizientere Hilfe. Derzeit kämen vor allem junge Männer, die wirklich Schutzbedürftigen Frauen, Kinder und Älteren, die zurückblieben, bräuchten mehr Unterstützung, so Kurz. (tom, APA, red, 30.6.2018)