Kanzler Sebastian Kurz und seine Regierung fühlen sich oft nicht zuständig, wenn das Parlament fragt.

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In den Ministerien wird alles getan, um nicht zu antworten", kritisiert Nikolaus Scherak (Neos).

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"So wenig Wertschätzung des Parlaments hat es noch nie gegeben", sagt Wolfgang Zinggl (Liste Pilz).

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"Es handelt sich um ein Recht der Allgemeinheit auf Information", erinnert Sabine Schatz (SPÖ).

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Die Neos hatten kürzlich ein paar Fragen zum Thema Netzneutralität. Es geht da um fairen Wettbewerb im Internet. Österreich hat eine Digitalisierungsministerin. Sie heißt Margarete Schramböck und ist auch für Wirtschaft zuständig. Ihr haben die Pinken die parlamentarische Anfrage geschickt. Warum es in Österreich keine Strafbestimmungen für Verstöße gegen die Netzneutralität gibt, war eine von 14 Fragen. Die Antwort: Das Ministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sei dafür nicht zuständig – wer stattdessen berufen wäre, wird nicht verraten.

Ministerielle Message-Control

Dieses Beispiel ist ein willkürlich gewähltes – für ein Phänomen, das die Opposition nun geschlossen beklagt: Die türkis-blaue Koalition nehme das Parlament nicht ernst. Parlamentarische Anfragen würden laufend gar nicht oder zumindest nicht ausreichend beantwortet. "So wenig Wertschätzung des Parlamentarismus hat es noch überhaupt nie gegeben", sagt Wolfgang Zinggl, Klubobmann der Liste Pilz, Abgeordneter seit 14 Jahren.

Dabei hat der Nationalrat die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren. Parlamentarische Anfragen sind hierfür ein wichtiges Instrument. Aber es werde in den Ministerien alles getan, um nicht antworten zu müssen, sagt Nikolaus Scherak, Abgeordneter und Vizechef der Neos: Ressorts würden "im Kreis aufeinander verweisen", niemand wolle zuständig sein. Und auch hier zeige sich die "Message-Control" der Regierung. "Wenn wir eine Anfrage an alle Ministerien stellen, bekommen wir zum Teil wortidente Antworten."

Kickl sagt nichts zu "Info Direkt"

Ähnlich lautet die Kritik aus der SPÖ: "Ich fühle mich in meinem Kontrollrecht massiv eingeschränkt, und dabei handelt es sich um ein Recht der Allgemeinheit auf Information", sagt die rote Parlamentarierin Sabine Schatz. Sie ist in ihrer Fraktion Sprecherin für Gedenkkultur und hat bereits mehrere Anfragen zum Themenkomplex Rechtsextremismus an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) gestellt.

Auszug einer Beantwortung von 52 Fragen zu dem als rechtsextrem eingestuften Magazin "Info Direkt", dessen Vertreter die FPÖ im November 2017 ins Linzer Rathaus eingeladen haben soll: "Zu den Fragen 1 bis 4, 6 bis 8, 10, 11 und 11a, (...), 44, 45, 46 und 46b, 48 und 48a, 49 bis 51: Aus datenschutzrechtlichen Gründen und aufgrund der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit muss von der Beantwortung dieser Fragen Abstand genommen werden." Die restlichen Fragen würden "nicht in den Vollzugsbereich" des Ministeriums fallen oder seien "nicht Gegenstand des Interpellationsrechts". Beantwortet wurde keine einzige.

Keine Sanktionsmöglichkeiten

Man muss dazusagen: Ministerien haben parlamentarische Anfragen seit Anbeginn selten gern beantwortet. Historisch zeigt sich auch, dass zu ein und derselben Fragestellung ein Minister ausschweifend geantwortet hat, sein Nachfolger dann gar nicht mehr – die Ressorts haben also Spielraum, es sich zu richten.

"Es gibt faktisch keine Sanktionsmöglichkeiten, wenn ein Ministerium Anfragen nicht beantwortet" , sagt der Verfassungsjurist Heinz Mayer. Seiner Ansicht nach müssten die Rechte der Opposition im Parlament insgesamt gestärkt werden, damit der Nationalrat seine Kontrollfunktion ordentlich ausüben könne. "Doch die Mehrheitsparteien, die das beschließen müssten, haben nie Interesse daran."

Flut an Anfragen

Die Ministerien selbst beschweren sich, dass sie mit Anfragen geflutet würden – und auch das stimmt. "Wenn das Ziel so beweglich ist und man nie weiß, worauf man eine Antwort bekommen könnte, beginnt man zu streuen", formuliert es ein parlamentarischer Mitarbeiter. In Österreich stellt jeder Abgeordnete durchschnittlich dreieinhalb Mal so viele Anfragen wie ein deutscher Bundestagsmandatar. In Deutschland können die Fraktionen aber auch ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anleiern, wenn eine Beantwortung nicht ausreichend erscheint.

Im April hatte sogar Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) seinen Parteichef, Kanzler Sebastian Kurz, getadelt, dass die Qualität heimischer Anfragebeantwortungen besser werden müsse. Daraufhin haben sich alle Parteien darauf geeinigt, dass die Ministerien künftig begründen müssen, warum sie nicht zuständig seien – das passiere jedoch weiterhin zumeist nicht.

Skandale stilisieren

Auf städtischer Ebene wird mit der Problematik immerhin ehrlicher umgegangen, wie eine Anfrage der Neos an die Vizebürgermeisterin Salzburgs zeigt. Es geht darum, wie viele Lehrerinnen ihr Dienstverhältnis frühzeitig beendet hätten: "Die Auswertung würde mehrere Stunden in Anspruch nehmen", wird die Nichtbeantwortung begründet. Und: "So wie ich Sie mittlerweile kenne, würden Sie versuchen, einen Skandal daraus zu stilisieren." (Katharina Mittelstaedt, 2.7.2018)