STANDARD: Was kann ein Politiker von einem Künstler lernen. Als Kreativling würde man sich in der Politik wohl schwertun, oder?

Löger: Ganz im Gegenteil. Um in der Politik zu Lösungen zu kommen, braucht es Kreativität. Auch wenn es nicht um eine künstlerische Darstellung geht, kann man also in der Politik durchaus kreativ gestalten.

Was Roubinek über Löger denkt, um umgekehrt.
DER STANDARD

STANDARD: Ist Rudi Roubinek ein politischer Kopf? Kann man Sie politisch verorten?

Roubinek: Ich habe zu keiner Partei eine Nähe, daher kann man mich parteipolitisch nicht verorten. Ich würde mich als liberal mit sozialem Touch bezeichnen.

STANDARD: Was fällt einem Liberalen mit sozialem Touch zu dieser Regierung und Themen wie dem Zwölfstundentag ein. Wird hier eine neoliberale Agenda verfolgt, oder reagiert man einfach auf die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts?

Roubinek: Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts bin ich natürlich Laie. Was ich aber sicher nicht glaube, ist, dass es irgendeinen Unterschied macht, ob im Gesetz die Freiwilligkeit von Überstunden steht oder nicht. Jeder, der aus der praktischen Wirtschaft kommt, wird mir da recht geben. Und es macht sicher einen Unterschied, ob man körperlich arbeitet oder geistig. Weil zwölf Stunden hackeln, das schafft man ab einem gewissen Alter einfach nicht mehr.

Rudi Roubinek glaubt nicht, dass es so etwas wie Freiwilligkeit beim Zwölfstundentag gibt. Der Minister widerspricht.
Newald

STANDARD: Sie waren Manager in der praktischen Wirtschaft. Glauben Sie wirklich, dass es so etwas wie Freiwilligkeit beim Zwölfstundentag gibt?

Löger: Davon bin ich überzeugt. Ich habe das oft erlebt, dass Mitarbeiter ihre Arbeit am selben Tag fertig machen wollten. Oder bereit waren, länger zu arbeiten, um dann drei Tage frei zu haben. Wir ändern ja in Wirklichkeit nichts Grundlegendes am System. Die Normalarbeitszeit bleibt bei acht Stunden am Tag und 40 Stunden pro Woche.

STANDARD: Am Set wird wahrscheinlich auch niemand fragen, ob man heute schon zehn Stunden gedreht hat, oder?

Roubinek: Ganz bestimmt nicht. Aber wir arbeiten auch nicht jeden Tag zwölf Stunden, und gerade in meiner Branche gibt es immer weniger Leute, die in einem klassischen Angestelltenverhältnis sind. Da gibt es mehr und mehr Freiberufler, Freelancer, Praktikanten.

Löger: Es gibt derzeit viele Arbeitnehmer, die parallel Aufzeichnungen führen, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, nach zehn Stunden aufzuhören und sie die eine oder andere Stunde, die sie länger brauchen, zu ihrem eigenen Nachteil nicht offiziell eintragen dürfen. Um diese Flexibilität geht es uns, um nichts anderes.

STANDARD: Sie sind Sohn eines Eisenbahners, in der Obersteiermark aufgewachsen, die von der Historie her eher sozialdemokratisches dominiert war. War da das linke Lager für Sie mal interessant, oder war es für Sie immer klar, dass Sie eher ein Konservativer sind?

Löger: Ehrlich gesagt, habe ich mich nie eingestuft. Ich bin bis heute Mitglied in Eisenbahnersportvereinen, dazu stehe ich. Das war für mich aber nie eine Frage der parteipolitischen Zuordnung. Nach dem Gymnasium bin ich früh ins Berufsleben eingestiegen, und auf dieser Grundlage habe ich meine Entwicklung genommen. Ich habe also keine parteipolitische Prägung erlebt, sondern eine inhaltliche, die mir schließlich das Angebot gebracht hat, in dieser Regierung mitzuarbeiten. Ich sehe sozial und konservativ auch nicht im Widerspruch. In der neuen ÖVP ist Platz für beides.

Roubinek: Ich fände es erfrischend, wenn Politiker und Politikerinnen mehrheitlich aus der Expertenriege kommen würden und man diese Klammer der Parteien langsam, aber sicher ablegt. Ich habe aber gelesen, dass Sie auch Mitglied in einer Verbindung sind. Das ist dann vom Weltbild her schon etwas anderes, würde ich vermuten.

Löger: Ich habe vor einem Jahr im Rahmen der Wirtschaftskammer Steiermark einen Vortrag gehalten, der von der Mittelschulverbindung Markomannia-Eppenstein organisiert wurde. In diesem Rahmen wurde ich auch als Ehrenmitglied aufgenommen.

Roubinek: Haben Sie schon gesungen?

Löger: Ich habe nicht gesungen.

Roubinek: Mir hat mal jemand, der bei einer schlagenden Burschenschaft war, den Unterschied zwischen Burschenschaft und Verbindung so erklärt: Eine Verbindung ist nur ein Gesangsverein, wo Bier getrunken wird. Derselbe ist dann aber aus der Burschenschaft ausgetreten, als seine erste Mensur anstand.

Löger: Man muss da schon aufpassen, dass man nicht Dinge vermischt und alles in einen Topf wirft. Es gilt zu unterscheiden: Welche Verbindung und was steckt dahinter?

Roubinek wollte von Löger wissen, was es mit dessen Mitgliedschaft in einer Mittelschulverbindung auf sich hat.
Newald

STANDARD: Also die ideologischen Geschichten sind nicht so das Ihre?

Löger: Nein, diesen Zugang habe ich nie gehabt, nie gesucht und nie gefunden.

Roubinek: Sie haben es aber mit einem politischen Partner zu tun, bei dem sich viele zu Burschenschaften bekennen. Wie geht es Ihnen damit?

Löger: In meiner Arbeit mit Regierungskollegen habe ich noch keine Situation erlebt, wo das eine Rolle gespielt hätte. Ich nehme den Regierungspartner als kompetent und engagiert wahr. Was jemand in seiner Freizeit macht oder in der Vergangenheit gelebt hat, bewerte ich dabei nicht.

STANDARD: Wie definiert der Finanzminister Gerechtigkeit?

Löger: Es gibt den schönen Satz: Ein Richter kann nur ein Urteil sprechen, aber nicht Gerechtigkeit. So gesehen ist das auf einer moralisch-ethischen Ebene zu bewerten, und da wird es auch unterschiedliche subjektive Beurteilungen geben. Es gibt sicherlich noch Handlungsbedarf, und mit unserem Regierungsprogramm sind wir angetreten, für mehr Fairness zu sorgen, zum Beispiel bei der Leistungsentlohnung.

Roubinek: Als Finanzminister muss man halt überlegen, wem nimmt man etwas weg und wem nicht. Da spielt Gerechtigkeit eine große Rolle. Dass Besserverdiener absolut und auch relativ mehr Steuern zahlen, das sehe ich ein. Was ich aber nicht einsehe, ist, dass Leute keine Steuern zahlen, wenn sie etwas erben oder geschenkt bekommen.

Löger: Eine Erbschaftssteuer wäre eine zweifache Besteuerung. Mein Vater hat in den 70er-Jahren ein Haus gebaut, möglicherweise werde ich das irgendwann erben. Aber er hat das mit versteuertem Geld erbaut. Außerdem steht die Einführung einer neuen Steuer unserem Vorhaben diametral entgegen, die Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent zu senken.

Eine Erbschafts- oder Schenkungssteuer lehnt der Minister kategorisch ab.
Newald

STANDARD: Wenn ich beim Billa mit meinem versteuerten Einkommen einkaufe, zahle ich auch noch mal Mehrwertsteuer.

Roubinek: Beim Auto zahlt man Mehrwertsteuer, die Nova, Mineralölsteuer – das sind x-fache Steuern. Ihr Argument, Vermögen darf nicht noch einmal versteuert werden, leuchtet mir nicht ein. Das erinnert mich ans Feudalwesen. Derjenige, bei dem das Geld ankommt, der hat ja nichts geleistet.

Löger: Aber es kommt in irgendeiner Form aus einem Leistungsbereich, der versteuert wurde. Wenn ich meiner Frau eine Handtasche zum Geburtstag kaufe, soll sie dann Schenkungssteuer zahlen? Wo fangen wir an, wo hören wir auf?

Roubinek: Ich weiß ja nicht, wie teuer die Handtasche ist. Wie überall fangen wir mit einer gewissen Grenze an. Bei 300.000 oder 500.000. Das können Experten erheben.

Löger: Experten haben das schon mehrfach erhoben, und man ist immer zu dem Schluss gekommen, dass es nicht sinnvoll ist. Setzt man die Grenze hoch an, kostet die Einhebung durch die Verwaltung mehr als das erwartete Aufkommen. Setzt man sie niedriger an, trifft es die Mittelschicht am stärksten.

STANDARD: Apropos teures Papier. Sie verzichten heuer auf eine Erhöhung der Gebühren, außer bei jenen, die Ausländer treffen. Die Staatsbürgerschaft kostet künftig 1.115 statt 977 Euro, Visa-Gebühren steigen von 100 auf 150 Euro. Ein bewusstes Signal?

Löger: Die Staatsbürgerschaft ist zweifelsohne das höchste Gut und daher wertvoll, im wahrsten Sinne des Wortes. Damit bringen wir auch die Wertigkeit des Themas zum Ausdruck.

Löger lehnt es ab, mit der Aktion 20.000 "Scheinjobs" zu schaffen. Roubinek hat mit dieser Bezeichnung keine Freude.
Newald

STANDARD: Noch ein Gerechtigkeitsthema. Ist es fair, Budgetmittel für ältere Arbeitnehmer wie die Aktion 20.000 zu streichen, um das Nulldefizit zu erreichen?

Löger: Das ist keine Frage der Gerechtigkeit, sondern der Vernunft. Wirtschaftsforscher haben schon im Vorjahr eingewendet, dass das in Zeiten der Hochkonjunktur ein falsches Signal ist. Und heuer zeigt sich, dass die Arbeitslosigkeit auch bei Älteren deutlich zurückgeht. Ich halte es für einen Fehler, Scheinjobs zu schaffen, die zu 100 Prozent aus Steuergeld finanziert sind. Ich will echte Jobs für ältere Arbeitnehmer.

Roubinek: Das Wort Scheinjob gefällt mir nicht. Die Frage ist, wie bemisst man den Wert einer Tätigkeit eines Menschen. Wir sind doch ein Sozialstaat. Ich kenne Leute, die lange arbeitslos sind. Die verlieren ihren ganzen Lebensrahmen. Das beginnt bei banalen Dingen wie einem strukturierten Tagesablauf. Da muss sich die Gesellschaft fragen, welche Perspektive man diesen Menschen gibt. Ich kann sie ja nicht aussortieren. Sie sind Teil der Gesellschaft, sind Staatsbürger.

Löger: Genau. Die Perspektive, die wir ihnen geben, sind echte Jobs, Schulungen, Förderungen für Betriebe, die über 50-Jährige einstellen. In meiner damaligen Funktion als Präsident der Sportunion bin ich im Vorjahr auf die Aktion 20.000 angesprochen worden. Im Sinne von: Lasst euch was einfallen. Erfindet halt irgendwelche Jobs. Das ist für mich keine Basis für einen nachhaltigen Arbeitsplatz. So darf man nicht mit Steuergeldern umgehen. Auch nicht im Sozialstaat Österreich. Es ist jenen gegenüber, die Steuern und Abgaben zahlen, nicht zumutbar, ein solches künstliches System zu erhalten.

Roubinek: Wenn es etwas Besseres gibt, wird niemand etwas dagegen haben. Aber wie gesagt: Jeder hat aus meiner Sicht ein Recht, dass sich die Gesellschaft um ihn kümmert. Die Alternative wäre Armut, Elend, Obdachlosigkeit. Das will niemand. Ich bin in der glücklichen Lage, gut zu verdienen. Mir würde es nichts machen, mit meinen Steuern einen Beitrag zu leisten, dass jemand, der keinen Job findet, zumindest eine bezahlte strukturierte Beschäftigung bekommt. (Günther Oswald, 7.7.2018)