Will EU-Freiheiten beschränken: Hans Niessl.

Foto: apa / johann Groder

Eisenstadt/Brüssel – Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) hat am Freitag gefordert, den EU-Ratsvorsitz auch für den Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping zu nutzen – und mit seinen Forderungen Empörung bei der ÖVP ausgelöst.

Für ihn sei es wichtig, "dass es in Europa einen fairen Wettbewerb in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt gibt", erklärte Niessl. Gerade für die Grenzregionen sei es wichtig, dass Österreichs EU-Ratsvorsitz auch diesem Thema Aufmerksamkeit schenke.

Und dann kam der Satz, mit dem sich der Sozialdemokrat (er ist in einer Koalition mit der FPÖ) bei der ÖVP Schelte abholte: "Man sollte sich Gedanken machen, ob die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU in dieser Form nicht auf den Prüfstand gestellt werden sollte. Es ist ein großes Problem, wenn unsere kleinen und mittleren Betriebe Aufträge verlieren und Arbeitnehmer aufgrund unfairer Praktiken um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Die Verdrängung vom Arbeitsmarkt durch Lohn- und Sozialdumping muss gestoppt werden. Ich setze hier auf eine breite Allianz über Parteigrenzen hinweg im Interesse der regionalen Wirtschaft und unserer Arbeitnehmer", schrieb Niessl in einer Aussendung.

Karas sieht Niessl auf Linie mit Strache

Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, hat scharf reagiert: Diese Aussagen seien kurzsichtig und populistisch, so Karas. Niessl wandle auf den Spuren von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ).

"Was für Straches Entgleisungen im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit galt, gilt auch für den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz Niessl", betonte Karas. Das Burgenland habe nachweislich überdurchschnittlich von der EU profitiert, daher sei es besonders für das Burgenland brandgefährlich, das Binnenmarktkonzept der EU infrage zu stellen.

Brexit als warnendes Beispiel

"Wohin das führt, sehen wir am Chaos in London. So wie Österreichs Wirtschaft jeden Tag von der Erweiterung der EU profitiert, sollte kein Österreicher auf die Arbeitnehmer aus unseren östlichen Nachbarländern schimpfen", betonte der Europaabgeordnete.

Niessl hatte argumentiert: Bei den EU-Erweiterungen in den Jahren 2004 und 2007 sei die EU davon ausgegangen, dass sich die Lohn- und Sozialstandards in wenigen Jahren angleichen würden. "Diese Annahmen sind so nicht eingetreten. Und wenn Annahmen nicht eintreten, dann muss man sich andere Maßnahmen und Reformen überlegen."

Derzeit seien die wirtschaftliche Entwicklung und auch der Trend am heimischen Arbeitsmarkt positiv. Gerade das Burgenland habe überdurchschnittlich gute Werte. Aber man habe auch eine Phase steigender Arbeitslosigkeit und wisse nicht, wie die Situation in Österreich in den nächsten Jahren sein wird. "Daher erwarte ich mir jetzt eine Strategie und einen Plan, wie der heimische Arbeitsmarkt bei steigender Arbeitslosigkeit geschützt werden kann." Österreich befinde sich in einer exponierten Lage mit Nachbarländern, in denen das Lohnniveau nach wie vor deutlich geringer sei als hierzulande.

Temporäre Beschränkungen

Unter dem Motto "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" müsse auch in Österreich alles getan werden, damit ein fairer Wettbewerb herrscht und heimische Klein- und Mittelbetriebe und ihre Arbeitnehmer "gerade in Grenzregionen nicht noch mehr unter Druck geraten", meinte Niessl. Als Lösung könne er sich eine regionale und flexible Regelung vorstellen, mit temporären Beschränkungen für Branchen, in denen die Arbeitslosigkeit ein gewisses Ausmaß erreiche. Auch dieses Thema wäre jetzt unter Österreichs EU-Ratsvorsitz anzustoßen und zu verhandeln, hieß es. (APA, red, 13.7.2018)