Die Sympathiewerte für die FPÖ bei ÖVP-Wählern sind deutlich höher als 2013.

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Neben Populismus ist Polarisierung einer jener Begriffe in der politischen Debatte, die nur allzu gern unpräzise verwendet werden. Um dieser Unschärfe zu entgehen, muss man zumindest zwei Unterscheidungen treffen.

Zum einen muss man zwischen der Wählerschaft und den politischen Eliten differenzieren. Wähler sind viel weniger konsistent in ihren politischen Ansichten als politische Eliten. Wenn demnach etwa ideologisch extremere Parteien in einem politischen System an Zuspruch gewinnen, muss das noch nicht heißen, dass auch in der Wählerschaft solche Haltungen zunehmen.

Zum Zweiten muss man zwischen ideologischer und affektiver Polarisierung unterscheiden. Ideologische Polarisierung bedeutet, dass Wähler oder Eliten in ihren Einstellungen zu politischen Themen (Umverteilung, Zuwanderung, Europa et cetera) auseinanderdriften, während affektive Polarisierung meint, dass verschiedene Gruppen in ihren Haltungen gegenüber politischen Akteuren oder sozialen Gruppen auseinandergehen.

Während die Evidenz für ideologische Polarisierung (vor allem in Europa) eher mau ist (siehe etwa hier oder hier), gibt es klare Anzeichen für zunehmende affektive Polarisierung (diese Forschung ist bisher aber hauptsächlich auf die USA begrenzt, siehe hier).

Auch für Österreich findet sich in den Autnes-Daten zu den Nationalratswahlen 2013 und 2017 Evidenz für zunehmende affektive Polarisierung. Die Grafik unten etwa zeigt, wie sehr die Sympathie für fünf Parteien bei den Wählern dieser Parteien zwischen den letzten beiden Wahlen zu- oder abgenommen hat. (Dabei ist wesentlich festzuhalten, dass hier nicht dieselben Personen zweimal befragt wurden, es handelt sich um zwei getrennte Stichproben – die Daten lassen also nur Aggregatschlüsse zu und sagen nicht zwingend etwas über die Individualebene aus.)

Vor allem für Wähler von ÖVP und FPÖ zeigt sich, dass die Sympathiewerte für linke Parteien deutlich abgenommen haben, für rechte Parteien hingegen deutlich gestiegen sind (erstere Beobachtung trifft auch auf Neos-Wähler zu). Die Blau- und Türkis-Wähler von 2017 finden also Grüne und SPÖ deutlich unsympathischer als die Schwarz- und Blau-Wähler von 2013. Im Gegenzug sind die Sympathiewerte der FPÖ bei den ÖVP-Wählern von 2017 markant höher als bei jenen der ÖVP 2013.

Es gibt im Grunde zwei Mechanismen, die solche Trends bewirken können: Zum einen kann es sein, dass sich die Sympathie für manche Parteien in bestimmten Wählergruppen zwischen den letzten beiden Nationalratswahlen verändert hat. Zum anderen kann es auch zutreffen, dass sich die Wählergruppen der Parteien 2013 und 2017 anders zusammensetzen, etwa wenn die Kurz-ÖVP 2017 von mehr Personen gewählt wurde, die die FPÖ sympathisch finden, als die Spindelegger-ÖVP 2013. Natürlich kann auch beides gleichzeitig passieren.

Diese Daten zeigen also recht klar, dass die affektive Polarisierung in Österreich zugenommen hat und dass diese Entwicklung asymmetrisch ist: Vor allem die Wähler rechter Parteien sind gegenüber den linken Parteien im Vergleich zu 2013 deutlich abgekühlt.

Man muss aber betonen, dass es hier um Sympathie gegenüber Parteien und nicht gegenüber Wählergruppen geht und dass man aus diesem empirischen Befund keine Schlüsse über ideologische Trends ableiten kann. Dennoch: Wenn die Wähler rechter Parteien für linke Parteien weniger ansprechbar werden, kann das natürlich dazu beitragen, dass sich die politischen Fronten in Österreich verhärten. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 20.7.2018)