Schwarz-Türkise und Rote: Die Landeshauptleute bilden stets eine gut geschlossene Front. Michael Häupl (ganz rechts) ist inzwischen Michael Ludwig gewichen.

Foto: Land Tirol/Sedlak

Ein Gespenst geht um in Österreich – das Gespenst des Föderalismus. Alle Mächte der Regierung haben sich zu einer Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet, allen voran der Kanzlerreformator und seine Reformministranten.

Unter Reformen versteht man heutzutage großzügige Kürzungen. Bei der Reformkost ist Schmalhans Küchenmeister. Der Sanierungszweck heiligt die verknappten Mittel. Das Gespenst des Föderalismus gilt als gefräßig, es frisst für neun, es fährt mehrgleisig, es will angeblich das größte Stück vom Budgetkuchen. Diese Regierung aber will in die Geschichte eingehen, unter anderem durch die Vertreibung des Gespensts, das den Staatskörper verfettet. Da soll eine Diät verordnet werden oder gleich ein Aderlass. So schlank soll der Staat werden, dass er nur noch aus einem Zentrum, der Leibesmitte, besteht. Eine Reform an Haupt und Gliedern.

Fehlt nur die nötige Zweidrittelmehrheit. Aber die Neos werden sich schon einbinden lassen. Man muss ihnen halt ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können. Alte sizilianische Bauernregel. Wenn das Angebot stimmt, stimmt auch das Abstimmungsergebnis.

Aber nicht alle glauben an Gespenster. So lassen sich Stimmen vernehmen, der Föderalismus in Österreich sei im Vergleich zur Schweiz und zu Kanada geisterhaft schwach. Und das lässt sich in Zahlen ausdrücken: Rund 90 Prozent der Steuereinnahmen und 70 Prozent der Ausgaben tätigt der Bund. Die Landtage haben wenig zu sagen, so viele Reden auch in ihnen geschwungen werden, die Landeshauptleute hingegen haben sehr wohl das Sagen, was das Vollziehen von Bundesgesetzen anlangt.

Kunstfigur

Gegen sie kann kein Kanzler regieren. Das war ungeschriebenes Gesetz. Bis er kam. Das größte politische Talent seit Dollfuß. Er sagt nicht genau, was er will, darum erreicht er es schneller. Er schweigt virtuoser als Schüssel. Er hat ein absolutes Gehör für Misstöne, die machen ihn vor Schmerz sprachlos. Wer ihn beobachtet, wird aus seinem Verhalten nicht schlau. Er ist keine Sphinx, er gibt keine Rätsel auf, er ist ein Rätsel. Manche halten ihn für eine Kunstfigur, dabei ist er wegen seiner kunstvoll gewundenen Antworten schon eher eine Kultfigur. Das Künstliche an ihm ist authentisch.

Er ist froh über jede Frage, so froh, dass er sie nicht beantwortet. Kurz hat sein junges Leben in der Politik verbracht, das uneigentliche Sprechen ist ihm zur Natur geworden.

Seine Rhetorik ist kein Ausweichmanöver, sondern angewandte Sprachkritik. An eine Darstellbarkeit der Wirklichkeit durch Sprache glaubt Kurz nicht. Jede seiner Reden beweist es. "Ich weiß, dass es viele Leute gibt, die es anders sehen, aber das ist nun mal meine Sicht der Dinge, und dafür bin ich gewählt worden."

Sein Credo ist: Im Anfang war die Tat. "Man soll die Regierung an ihren Taten messen." Den Staat "modernisieren", den Sozialstaat demontieren. Die Macht der Länder begrenzen, die eigene Macht erweitern.

Nach zehn Jahren, meint Heidi Glück, Schüssels ehemalige Pressesprecherin, wolle sich Kurz sagen: "Ich habe Österreich umgebaut." Wohl mit den eigenen Händen. Und wie wird es sich in diesem Österreich leben? (Günter Eichberger, 25.7.2018)