Musik bis Mitternacht: Das Popfest am Wiener Karlsplatz.

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"Des woa olls a bissl a Kackpartie", erinnert Franz Adrian Wenzl von Kreisky sich an die Lautsprecher vergangener Popfeste zurück. "Heit' is eigentlich sehr guat." Es war früher also nicht alles besser, wie man gern so sagt. Aber manches eben doch. Die Band war der Headliner des zweiten Tages und hielt neben der Musik auch die Moral hoch.

Nach Songs vom Querulanten und Wutbürger sind Kreisky spätestens mit dem neuen Album "Blitz" auf den reuigen Nostalgiker gekommen. Hinterherzutrauern gilt es der Humanität. "Unser ganzes schönes Europa, das ist alles weg", singt Wenzl. Wie es so weit kommen konnte? Die Aufgeklärtheit des ausgehenden 20. Jahrhunderts war nicht so stabil, wie angenommen. Wir sind "Veteranen der vertanen Chance", lautet die Diagnose. Und Identitäre? "Das sind Nazis, das ist Abschaum."

Der tiefere Sinn

Eine Nummer kleiner fragten Pauls Jets in einem Song am Anfang des Abends "Wo stehst du mit deiner Kunst?". Eine gute Frage auf einem Musikfestival. Sie selbst standen damit auf der Hauptbühne. Nicht schlecht für eine Band, die es erst seit 2017 gibt. Sie ist der neueste Act aus dem Hause Redelsteiner. Zwischen Zeilen wie "Üben üben üben ohne Sinn dahinter" und "die Hasen zücken Messer" versteckt sich gewiss tieferer Bedeutung. Dazu kommt on stage eine für Redelsteiner-Schützlinge (Wanda, Voodoo Jürgens) scheinbar obligatorische Schludrigkeit.

Sechzig Konzerte an vier Tagen und die Kirche als Kulisse: Popfest am Karlsplatz.
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Schludrig sind Ash My Love nicht. Das Wiener Duo hält seinen Blues und Rock üblicherweise roh und ein bisschen dreckig. Etwas Chichi allerdings haben Ursula Winterauer und Andreas Dauböck sich für das Popfest geleistet: ein 18-köpfiges Clapping Orchestra of Joy peppte ihr neues Album "Money" live stampfend, klatschend und als Chor auf. Das klang wie eine hippieske, friedliche Motorradgang auf Sonntagsfahrt oder als hätte Jack Black die Lehrverpflichtung in einer "School of Blues" übernommen. Trotzdem gut.

Gewünschte Emissionen

Als befände man in einem riesigen Computer klang es schließlich bei Jung an Tagen. Nachts ist der 33-jährige Wiener Stefan Juster ein gefragter Elektroniker. Er kommt von Techno und Trance her, sein Schmankerl heißt otoakustische Emissionen. Das sind Schwingungen, die auf zwei verschobenen hochfreuquenten Klängen basieren, die Juster ausschickt und die im Gehörgang eine dritte Schwingung erzeugen. Also einen Klang, der im Körper der Zuhörer erst entsteht. Bei so viel innerer Mitarbeit ging es das Publikum gegen Mitternacht äußerlich ruhig an und lauschte dem akustischen Blinken und Fiepen am liebsten sitzend. (Michael Wurmitzer, 28. 07. 2018)