Auf dem Frequency-Festival geht die Post ab. Kameras stellen sicher, dass für das Personal keine kritische Situation unbemerkt bleibt.

Foto: APA / Herbert P. Oczeret

Mehrere Bühnen, dutzende Bands und weit über 100.000 Besucher an drei Tagen, die zum großen Teil in Zelten und Wohnmobilen vor Ort übernachten: Wenn so viele Leute wie auf dem Frequency-Festival, das Jahr für Jahr nahe St. Pölten stattfindet, gemeinsam feiern, stellt das große Herausforderungen an Planung und Management.

Tauchen Probleme auf – vom Feuer im Zeltlager über Konflikte von Besuchern bis zum plötzlich hereinbrechenden Gewitter – müssen Gefahrensituationen schnell erkannt und hunderte Sicherheitskräfte koordiniert werden. Nichts wäre schlimmer, als wenn eine Massenpanik entstehen würde.

Das wichtigste Managementwerkzeug der Sicherheitskräfte ist bis jetzt das Mobiltelefon, über das Probleme gemeldet und Lösungen koordiniert werden. Doch natürlich bieten sich auch im Eventbereich Systeme auf Basis neuer Technologien an. Im Rahmen zweier Projekte, gefördert durch das Sicherheitsforschungsprogramm Kiras des Verkehrsministeriums, haben Forscher des steirischen Instituts Joanneum Research an der Umsetzung eines solchen Lagebildsystems für Großveranstaltungen gearbeitet.

Die Entwickler kooperierten dabei mit dem Unternehmen Wagner Sicherheit. 2016 und 2017 wurde die unter dem Arbeitstitel "Monitor" laufende Anwendung beim Frequency-Festival erprobt. Auch beim heurigen Event in wenigen Tagen sind die Entwickler mit ihrem System dabei.

Bilder, Videos

Um den Überblick zu behalten, stehen den Sicherheitskräften eine ganze Reihe von Datenquellen zur Verfügung, erklärt Alexander Almer vom Institut für Informations- und Kommunikationstechnologien bei Joanneum Research. Durch eine Kooperation mit dem Bundesheer kann auf georeferenzierte Luftbilder zurückgegriffen werden.

"Wir bekommen einmal pro Tag eine Aufnahme, ähnlich wie jene bei Google Maps, nur dass die aktuelle Infrastruktur des Festivals mitabgebildet ist", veranschaulicht der Forscher. Man kann also etwa genau erkennen, wie weit Zelt- und Wohnwagenplätze belegt sind.

Auf dem Boden sind einige Sicherheitskräfte mit Quads, kleinen Fahrzeugen, unterwegs, die über Kameras auf ausfahrbaren Masten verfügen. Dazu kommen stationäre Kameras, darunter Wärmebildkameras, die etwa die Zeltstadt überblicken, wo kein offenes Feuer verwendet werden darf. Auch ein Teil des Personals trägt Kameras am Körper.

Vielzahl von Einzelszenarien

Der Einsatz von Flugdrohnen wurde angedacht, war aber aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Man hat aber mit einer Kamera an einem im Boden verankerten, aber bis zu 150 Meter hoch fliegenden Ballon experimentiert, mit der Bühnenbereiche überwacht wurden. Für Almer hat das "trotz Windes relativ problemlos" funktioniert.

Die Bilder zeigen eine Vielzahl von Einzelszenarien, "kritische Zutrittsbereiche" bei Bühnen, Engstellen oder Gemeinschaftsplätze wie den Grillbereich. Die Videodaten fließen in der Einsatzzentrale zusammen, wo sie auf der Überblickskarte verortet und live oder zeitversetzt abrufbar sind.

Auch automatische Bildauswertungssysteme kamen ansatzweise zum Einsatz. Damit konnte bei Überblicksbildern etwa die Zahl der Menschen pro Quadratmeter bestimmt werden, um Personenstromanalysen zu erstellen und kritische Situationen zu erkennen. Gesichtserkennung sei dagegen kein Thema gewesen, versichert Almer.

Security-App

Neben der Sammlung von Bildinformationen war im Projekt auch die Verbesserung des Informationsflusses zwischen Einsatzzentrale und den etwa 400 Personen, die mit Organisation und Sicherheit des Festivals betraut sind, ein Thema. Die Entwickler haben dazu eine App entworfen, mittels der der Standort der Mitarbeiter ersichtlich ist.

Mit ihr können Aufgaben zugewiesen oder Rückmeldungen verfasst werden. Die Zahl zeitraubender Telefongespräche geht damit zurück, zeigte ein Test mit etwa 25 Mitarbeitern. Eine sozialwissenschaftliche Studie der Uni Graz soll Akzeptanz bei Festivalbesuchern und -personal testen.

Bei ähnlichen Systemen, die bei Katastropheneinsätzen genutzt werden, müssen eigene Funknetze aufgebaut wird. Hier verzichtet man darauf, weil ausreichend Mobilfunkkapazitäten zur Verfügung stehen. Eine Adaptierung des Systems für den Einsatz bei Waldbränden, wobei mittels Thermalbildern Brandherde identifizierbar sind, ist angedacht.

Im Testbetrieb kam es kaum zu brenzligen Situationen. "Bei einem aufziehenden Sturm flüchteten viele in Richtung einer überfüllten Halle. Hier konnten die Sicherheitskräfte rechtzeitig Position beziehen, um die Besucher vom Zutritt abzuhalten", gibt Almer ein Beispiel für den Einsatz. (Alois Pumhösel, 5.8.2018)