Im Leben jedes schriftstellenden Menschen kommt irgendwann der Tag, an dem ihm diese verblödete Schlampe namens Muse den Beziehungskrieg erklärt. Es beginnt mit unmerklichem Rückzug. Eben noch hat man wunderbar vor sich hin geschrieben. Und dann. Mit irgendwas hat man sie verärgert, gekränkt, zu lange unbeachtet gelassen, was weiß denn ich.

So eine Muse ist sensibel, freundlich ausgedrückt. Weniger freundlich ausgedrückt ist sie nahe am Borderline-Syndrom. Gibt dir kalt-warm. Und man fährt meistens auch noch ab auf diesen kranken Irrsinn. Eine Muse führt prinzipiell On/Off-Verhältnisse. Geordnete jedenfalls mal nicht.

Und verlassen kann man sich auch nicht auf sie. Mal überschüttet sie einen mit Küsschen und Aufmerksamkeit, mal ist wieder Liebesentzug angesagt, weil man mal nicht auf den kleinsten Wink ihres Flügels angesprungen ist, und Musen vergeuden ihre Energien halt nur sehr ungern. Geduld ist nicht unbedingt eine ihrer größten Stärken.

"Folge mir," haucht sie verführerisch. "Folge mir, und ich werde dir ungeahnte Freuden verschaffen." Jo, eh. Sicher. Im besten Fall hat man dann wundgescheuerte Fingerspitzen und einen Keil im Hirn, wenn sie mit einem fertig ist. Im schlechtesten dreht sie einem den schönen Rücken zu, legt boshaft die Ohren an wie ein störrischer Esel und meint: "Rutsch mir doch den Buckel runter."

Und manchmal sagt sie nur: "He. Ich brauch Urlaub, du schaffst es prima ohne mich." Man sieht ihr zu, wie sie den Musenkoffer packt. Mit steigender Unruhe. Und spätestens dann rennt man ihr verzweifelt nach und schreit: "Du! Wir müssen reden!" (Julya Rabinowich, 3.8.2018)